Vier Jahre lang hat ein 44-Jähriger seine minderjährige Stieftochter sexuell missbraucht. Das Landgericht Stuttgart hat ihn nun zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Fellbach - Mit einem perfiden System hat der Angeklagte seine Stieftochter nicht nur manipuliert, sondern auch kontrolliert und vom Rest der Familie isoliert, um sich das Mädchen gefügig zu machen. Nicht ganz neun Jahre alt war das Kind, als der Mann begann, sie sexuell zu missbrauchen. Mehrere Jahre lang kam es regelmäßig zu Übergriffen in der Wohnung, in dem Täter und Opfer zusammen mit der Mutter des Mädchens und ihrer zwei Brüder in Fellbach lebten. Nun wurde der 44-Jährige wegen 37 Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.

 

Die Macht des Täters besteht bis heute

„Man kann ein Kind auch psychisch unter Druck setzen. Und das haben Sie meisterlich beherrscht.“ Die Vorsitzende Richterin der 2. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart, Cornelie Eßlinger-Graf, sparte nicht mit offenen Worten in der mündlichen Urteilsbegründung. Keine Schläge oder andere physische Gewalt musste der Stiefvater anwenden, um des Kindes Herr zu werden. „Man muss ein Kind nicht in einen Keller sperren“, sagte der Richterin.

Diese Macht über sein Opfer bestehe bis heute, die mittlerweile 20-jährige Frau fürchte sich davor, dem Angeklagten wieder zu begegnen, wenn dieser wieder aus der Haft entlassen wird. Jegliche Konfrontation mit dem 44-Jährigen scheue die junge Frau, die es trotz der zerstörten Kindheit geschafft habe, das Abitur zu machen und sich von ihrer Familie zu lösen. In dem Prozess vertrat sie eine Anwältin als Nebenklägerin, eine Aussage machte sie nur in Abwesenheit des Angeklagten.

Der Angeklagte hatte 2004 seine Frau geheiratet, die er seit seiner Kindheit kannte. Diese brachte drei Kinder mit in die Ehe, zwei Jungen und das Mädchen. Schon bald habe er sich zu dem Kind auch sexuell hingezogen gefühlt, so die Vorsitzende Richterin. Das war aus den Einträgen in ein Tagebuch ersichtlich, das der Mann im Computer führte. Daraus wurde auch klar, dass er sie sich einerseits wie eine gleichaltrige Sexualpartnerin vorstellte, ihm andererseits aber auch klar war, dass sein Verhalten dem Kind zuwider war. „Ich konnte wieder nicht meine Pfoten von ihr lassen“, schrieb er einmal, ein anderes Mal, dass das Mädchen alles reglos über sich ergehen ließ, ohne irgendwelche Regungen zu zeigen.

Ohne Geständnis wäre die Strafe noch härter ausgefallen

Nicht nur in der Familie habe der Angeklagte das Mädchen isoliert. „Sie durfte keine Freunde haben“, führte die Vorsitzende Richterin weiter aus. Eifersüchtig überwachte der Mann seine Stieftochter, brachte sie nicht nur zur Schule und holte sie ab, er tauchte auch in den Pausen auf. Altersgemäßer Zickenkrieg zwischen zwölfjährigen Mädchen wurde aufgebauscht, um die Mitschülerinnen vor dem Mädchen madig zu machen. „Sie war in der schlimmsten Situation: völlig auf sich gestellt und ohne Hilfe.“ Kein Raum der Wohnung, der nicht zum Tatort geworden sei, der Sicherheit vor dem Peiniger bot. Selbst im Bett der Eltern kam es zu Übergriffen. „Es fällt schwer zu glauben, dass die Mutter nichts wusste“, sagte die Vorsitzende Richterin.

Sein Geständnis habe den Angeklagten vor einer noch härteren Strafe bewahrt, sagte die Vorsitzende Richterin. „Dann wäre mindestens eine Acht am Anfang gestanden.“ Allein die große Zahl der bekannt gewordenen Straftaten forderten ein angemessenes Strafmaß. Der Angeklagte habe zwar 1800 Euro an Wiedergutmachung an die junge Frau überwiesen, aber selbst während des Prozesses habe er kein Zeichen von Reue oder gar Empathie gezeigt. In seinem Computertagebuch hatte er dagegen im Duktus eines betrogenen Ehemanns geschrieben, sobald das Mädchen einen gleichaltrigen Freund hatte.