Am Bismarckplatz in Heidelberg verletzte und tötete ein Mann gezielt mit dem Auto mehrere Passanten. In Heidelberg beginnt nun der Prozess gegen einen 35-jährigen Deutschen. Gleich nach der Tat lieferte sich die Polizei im Internet einen Schlagabtausch mit Verschwörungstheoretikern.

Heidelberg - Die Trauerkränze am Heidelberger Bismarckplatz sind längst verschwunden, aber die Erinnerung an die Todesfahrt vom Februar ist bei vielen Menschen in der Stadt am Neckar noch frisch. „Ich kann mich genau an das schwarze Auto mit offen stehender Tür und zersplitterter Scheibe erinnern“, sagt Verkäuferin Iris aus der nahen Bäckerei. An einer steinernen Säule sei der Mietwagen mit Hamburger Kennzeichen zum Stehen gekommen. Jeder habe sofort einen Anschlag befürchtet, sagt die 34-jährige Ute aus dem benachbarten Blumenladen. „Es war dann doch kein Terrorist, aber die Sache bleibt schlimm.“

 

Der Mann rammt mit seinem Wagen drei Menschen

Der 25. Februar 2017 ist ein normaler Samstag - bis etwa 15.55 Uhr. Dann fährt auf dem Bismarckplatz, einem Knoten des öffentlichen Nahverkehrs am Rande der Altstadt, ein Mann mit seinem Wagen auf den Fußweg und rammt drei Menschen. Ein 73-Jähriger stirbt später im Krankenhaus, ein 32-jähriger Österreicher und seine 29-jährige Begleiterin aus Bosnien-Herzegowina erleiden Prellungen. Ein weiterer Passant bringt sich nur durch einen Sprung in Sicherheit.

Mit einem Küchenmesser bewaffnet, flieht der Fahrer zu Fuß. Als ihn eine Polizeistreife stellt und er sich weigert, das Messer wegzuwerfen, feuert ein Polizist. Der mutmaßliche Täter fällt mit einem Bauchdurchschuss zu Boden und muss notoperiert werden.

Dem Angeklagten wird Mord vorgeworfen

Ein halbes Jahr später beginnt nun die juristische Aufarbeitung. Von kommendem Dienstag (22. August) an muss sich der 35-jährige vor dem Landgericht Heidelberg verantworten. „Dem Angeklagten wird Mord in Tateinheit mit versuchtem Mord in drei Fällen und mit Körperverletzung in zwei Fällen vorgeworfen“, sagt ein Justizsprecher. Bis Mitte September sind vier Termine geplant.

Dass der Mann im Gefängnis landet, gilt als unsicher. „Es bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass der Angeklagte die Taten auf Grund einer schweren psychischen Erkrankung und damit im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat“, heißt es von Seiten der Justiz. Grundlage für die Annahme ist das vorläufige Gutachten eines Experten. Demnach gehört der Student aus Sicht der Heidelberger Staatsanwaltschaft in ein psychiatrisches Krankenhaus. Dort sitzt er seit Mitte Mai bereits vorübergehend.

Über die Motive des Fahrers wird gleich nach der Tat vor allem im Internet heftig spekuliert. Es gebe keinerlei Indizien für einen Anschlag, betonen die Ermittler recht früh. Trotzdem behaupten Teilnehmer in Diskussionsforen, dass es sich in Heidelberg um islamistisch motivierten Terror handele. Als Argumente nennen sie vorangegangene Anschläge mit Fahrzeugen in Nizza und Berlin.

Polizei wehrt sich gegen Twitter-Beschimpfungen

Über den Kurznachrichtendienst Twitter gehen zahlreiche anstößige Tweets bei der zuständigen Polizei in Mannheim ein. Von einigen Nutzern werden die Beamten beleidigt, andere machen Muslime für die Todesfahrt verantwortlich - die Polizei betont: „Und nun noch mal für alle: Tatverdächtiger: Deutscher OHNE Migrationshintergrund!“

Trotzdem zweifeln einige Nutzer auch danach den Wahrheitsgehalt der Informationen an. Die Polizei legt schließlich einige Kommentare der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung vor. Die Vorwürfe der Justiz an die Autoren reichen von übler Nachrede bis zu Volksverhetzung.

Vom Prozess erhoffen sich nun viele auch Aufklärung über die Motive des Mannes. Die Tat erregte international Aufmerksamkeit - ob das in den Überlegungen des Angeklagten eine Rolle spielte, bleibt aber möglicherweise ungeklärt. Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) zeigte sich damals erleichtert, dass die Todesfahrt vermutlich keinen terroristischen Hintergrund hatte.

Es bleibe aber eine schreckliche Tat. „Wenn jemand bewusst und mit eindeutigem Vorsatz in eine Menschenmenge fährt“, meinte Würzner, „das ist das Schlimmste, was man sich vorstellen kann.“