Prozess um Totschlag in Böblingen Das schwer behinderte Kind zu Tode geschüttelt?
Ein Mann aus Böblingen muss sich vor dem Landgericht Stuttgart wegen Totschlags und Misshandlung von Schutzbefohlenen verantworten.
Ein Mann aus Böblingen muss sich vor dem Landgericht Stuttgart wegen Totschlags und Misshandlung von Schutzbefohlenen verantworten.
Der Mann auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts tut alles, um möglichst wenig von sich preiszugeben, als er in den Gerichtssaal geführt wird und mehrere Sekunden lang die Kameras der Fotografen zu klicken beginnen. Er hat eine Jacke über seinen Kopf gezogen. Da er zudem einen Mund-Nasen-Schutz trägt, sind nicht viel mehr als seine Augenpartien zu erkennen. Es ist nachvollziehbar, dass der 25-jährige Böblinger seine Anonymität wahren will. Denn was der Erste Staatsanwalt Andreas Kienle ihm vorwirft, klingt ungeheuerlich – und hat das Potenzial für einen heftigen Shitstorm in den sozialen Medien.
Totschlag und Misshandlung von Schutzbefohlenen wirft der Anklagevertreter dem Böblinger vor. Er habe im Juli 2020 auf die beiden Kinder seiner Lebensgefährtin, sieben Monate und fünfeinhalb Jahre alt, aufgepasst, als diese zum Einkaufen gewesen sei. Der Fünfeinhalbjährige ist stark entwicklungsverzögert und massiv pflegebedürftig: Er kann er seinen Kopf nicht allein halten, ist schwer sehbehindert und kann sich nur auf dem Rücken liegend robbend bewegen.
Am frühen Abend des 14. Juli soll der Angeklagte den Jungen gepackt und geschüttelt haben, obwohl er um die Gefährlichkeit seines Tuns gewusst habe. 2018 sei dies schon einmal passiert, heißt es in der Anklage weiter. „Der Angeklagte zeigte weder Bedenken noch Mitleid“, führte der Erste Staatsanwalt Kienle weiter aus. Als sich der Junge erbrach, habe er lediglich eine Chat-Nachricht an die Mutter geschrieben. Auch als sich der Fünfeinhalbjährige einige Minuten später nicht mehr rührte, habe er nichts weiter veranlasst, außer der Mutter eine zweite Nachricht zu schreiben, wo sie denn bleibe.
Als diese gegen 18 Uhr nach Hause kam, sei der Junge in ein Handtuch eingewickelt gewesen und habe kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben. Den alarmierten Notärzten sei es zwar gelungen, das Kind noch einmal wiederzubeleben. Vier Tage später sei der Fünfeinhalbjährige jedoch an den Folgen einer irreversiblen Hirnschädigung gestorben.
Der Prozess wird am 9. Mai fortgesetzt, dann will sich der Angeklagte zum Tatvorwurf äußern. Zudem wird das Gericht die ersten Zeugen vernehmen. Das Urteil soll am 30. Mai verkündet werden.