Kunstfreiheit oder Volksverhetzung? Seit vier Jahren streiten die Gerichte über Bushidos Album „Sonny Black“. Gehört es wegen Frauenhäme und Schwulenhass auf den Index jugendgefährdender Medien? Nun muss das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden.

Leipzig - Bushidos umstrittenes Album „Sonny Black“ beschäftigt an diesem Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Seit 2015 darf das Album des Rappers nicht an Kinder und Jugendliche verkauft werden. Damals landete es auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien - und wurde ein Fall für die Justiz.

 

2015 landete Bushidos 2014 erschienenes Album „Sonny Black“ auf dem Index. Die Titel verherrlichten Gewalt und einen kriminellen Lebensstil, so die Begründung. Der Berliner Rapper klagte gegen den Listeneintrag, das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage ab. Im Berufungsverfahren entschied das Oberverwaltungsgericht Münster für Bushido: Die Bundesprüfstelle habe nicht sorgfältig genug zwischen Jugendschutz und Kunstfreiheit abgewogen. Zudem wurde bemängelt, dass die Bundesprüfstelle vor ihrer Entscheidung nicht die Künstler angehört hatte, die neben Bushido am Album mitwirkten. Auch die wegen Antisemitismus-Vorwürfen in die Schlagzeilen geratenen Rapper Kollegah und Farid Bang waren beteiligt.

Aber was bringt so ein Verbot überhaupt?

Nun muss das Bundesverwaltungsgericht entscheiden, ob es Fehler im Verfahren gab (AZ: BVerwG 6 C 18.18). Das Gericht ließ offen, ob es auch über inhaltliche Aspekte urteilen wird. Eine Entscheidung wird noch am selben Tag erwartet.

Neben dem Für und Wider von Texten über Drogenhandel, „Hurensöhne“, „Drecksbullen“ und der Diffamierung von Frauen und Homosexuellen wirft der Prozess aber noch weitere Fragen auf: Trotz der Indizierung ist das Album im Internet mit wenigen Klicks zugänglich. Welchen Sinn hat ein Index in Zeiten der Digitalisierung?

„Schon in den 1980er Jahren hat die Indizierung nicht funktioniert, heute, im digitalen Zeitalter, ist das ein Witz“, sagte Marc Urlen vom Deutschen Jugendinstitut. Statt vorzugeben, was für Kinder und Jugendliche geeignet ist, fordert er mehr Medienkompetenz. „Kinder und Jugendliche müssen von klein auf lernen, mit Angeboten der Medien kritisch umzugehen“, so Urlen. Dazu gehöre auch, zu hinterfragen, welches Anliegen Bushido mit seinem Album verfolgt, welchen Nutzen der Rapper aus einer Skandalisierung zieht. „Wenn die Bundesprüfstelle ein Medium auf den Index setzt, erhält dieses viel mehr Aufmerksamkeit“, sagte Urlen. Durch eine Tabuisierung werde ein Datenträger für die jugendliche Zielgruppe erst recht interessant.

Verbote sind im Digitalen weitgehend folgenlos

Der Medienwissenschaftler traut Heranwachsenden zu, sich selbstständig mit frauenfeindlichen oder antisemitischen Inhalten reflektiert auseinanderzusetzen. „Mit Verboten kommt man da nicht weit“, meint Urlen. Vielmehr müssten Jugendliche Zusammenhänge verstehen und eine eigene Haltung entwickeln.

Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds, spricht sich neben dem präventiv erzieherischen Ansatz hingegen auch für Verbote aus. „Den Jugendschutz aufzugeben, nur weil es schwerer wird, ihn durchzusetzen, macht auch keinen Sinn“, sagte er. Dennoch: Die Schwierigkeiten, einen restriktiven Jugendschutz gerade im digitalen Bereich durchzusetzen, seien „ungeheuerlich“.

Ein Listeintrag ist 25 Jahre gültig

Liegen kritische Filme oder Songs etwa auf ausländischen Servern, ist der Handlungsspielraum deutscher Behörden begrenzt. Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Zuständigkeiten unterschiedliche sind, je nachdem ob ein Medium digital oder „physisch“ ist. So regelt bei Telemedien der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder das Vorgehen nach der Indizierung durch die Bundesprüfstelle. Bei Computerspielen, Büchern, Filmen und CDs gilt das Jugendschutzgesetz. Die Indizierung von Trägermedien wird veröffentlicht, für jugendgefährdend befundene digitale Inhalte werden nicht bekannt gemacht.

Entscheider der Bundesprüfstelle bewerten, ob Medien auf eine Liste für jugendgefährdende Medien gesetzt werden. Die Prüfstelle kann nur auf Anregungen von Behörden und Trägern der freien Jugendhilfe aktiv werden. Im Vorjahr schloss die Bundesprüfstelle insgesamt 790 Verfahren ab, in 333 Fällen handelte es sich nach Meinung der entscheidenden Gremien um Pornografie. In der Regel gilt ein Listeneintrag 25 Jahre, danach kann eine weitere Indizierung beantragt werden.