Ein Verfahren vor dem Amtsgericht ist die späte Folge einer Verurteilung wegen Zuhälterei. Es endet mit Bewährungsstrafen.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Der Staatsanwalt und der Verteidiger witzeln über Krawattenknoten. Man kennt sich bestens – aus dem Prozess, dessen Nebenprodukt dieses Verfahren vor dem Böblinger Amtsgericht ist. Menschenhandel lautet der Vorwurf, gemeinsam begangen von einem jungen Mann und einer Prostituierten. Bis zu fünf Jahre Haft könnte der Richter Werner Kömpf verhängen – theoretisch. Faktisch endet der Prozess nach nur einer Stunde mit Bewährungsstrafen. Die Angeklagte war nicht einmal erschienen.

 

Der Auslöser des Verfahrens war ein Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht, an dessen Ende ein Angeklagter 2016 zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Schon damals hatte der Oberstaatsanwalt Peter Holzwarth die Anklage vertreten, Frank Theumer hatte verteidigt. So ist es auch bei der Verhandlung in Böblingen. Der Angeklagte hatte drei Frauen vergewaltigt, zur Prostitution gezwungen und verprügelt, wenn er mit den Einnahmen unzufrieden war. Eine von ihnen lebte im Frauenhaus in Sindelfingen, bevor sie begann, sich zu prostituieren.

Die Polizei nimmt die Anzeige einer Vergewaltigten nicht auf

Sie hatte der Zuhälter in einem Fellbacher Hotel stundenlang vergewaltigt und schwerst misshandelt. Im Urteil ist zu lesen, dass ihr fast die Zunge abgebissen worden war. Die Frau floh aufs Fellbacher Polizeirevier. Dort „lief es unglücklich“, sagt ein Kripo-Beamter im Böblinger Zeugenstand. Die Polizei nahm die Anzeige nicht auf.

Erst im Verlauf der Ermittlungen in Stuttgart offenbarte sich, dass ein Paar aus dem Kreis Böblingen in den Fall verwickelt war, eben die beiden jetzigen Angeklagten. Der heute 28-jährige Mann betrieb seinerzeit ein Internetcafé. Dort sprach er das Opfer darauf an, dass sie sich ihrer Geldsorgen entledigen könnte, wenn sie in einem Bordell anheuere. „Spinnst du?“, soll die Frau geantwortet haben. Einige Tage später wollte sie mehr wissen. Die Mitangeklagte erzählte ihr das Märchen vom güldenen Hurenleben. Zwei Wochen später wurde die Frau in ein Bordell im Saarland verfrachtet. Mit 3000 Euro kam sie zurück. Das Geld wurde abkassiert. Dabei blieb es. Laut der Polizei hat sie ein halbes Jahr lang angeschafft, danach nie wieder.

Frauen unter 21 Jahren stellt das Gesetz unter besonderen Schutz

Die Beteiligung der beiden Angeklagten endete allerdings, als die Frau vermittelt war. Wäre das Opfer älter gewesen, hätte womöglich kein Staatsanwalt Anklage erhoben, aber Frauen unter 21 Jahren stellt das Gesetz unter besonderen Schutz. Schon sie als Prostituierte anzuwerben, ist als Menschenhandel strafbar.

Das Verfahren gegen die Angeklagte beendet das Gericht mit einem Strafbefehl. Ein Jahr auf Bewährung lautet das Urteil. „Ein ähnliches Strafmaß“ fordert der Staatsanwalt Holzwarth für den Angeklagten. Er hält ihm zugute, dass er gestanden, damit dem Opfer die Aussage erspart habe. „Manchmal hat Herr Holzwarth Recht“, sagt Theumer, der Verteidiger. Damit ist sein Plädoyer bereits beendet. Kömpf entscheidet sich für eine Bewährungsstrafe von 14 Monaten, in der die jüngste von drei Vorstrafen des 28-Jährigen enthalten ist. Er hat rund eine Viertelmillion Euro Steuern hinterzogen. Kömpf stellt fest, dass ihm nur eine Privatinsolvenz helfen werde.

Das Leben des Opfers dürfte aus anderen Gründen als Geldnot ruiniert sein. Ihre Vernehmungen in Stuttgart mussten immer wieder unterbrochen werden, weil sie zusammenbrach.