Ein 19-Jähriger ist wegen Überfällen auf Taxifahrer angeklagt. Er hat die Taten begangen, weil er Dealern Geld schuldete.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Es gäbe weitere Kandidaten für einen Platz auf der Anklagebank. Allerdings sind ihre Namen unbekannt, und der junge Mann, der tatsächlich vor dem Stuttgarter Landgericht steht, will sie nicht nennen. „Weil ich Angst habe“, sagt er. Die Anklage lautet auf schwere räuberische Erpressung. Der 19-Jährige hat an zwei Abenden hintereinander in Böblingen Taxifahrer überfallen. Im Rückblick, das dürfte gewiss sein, wären ihm die zusammengerechnet 350 Euro das Risiko einer Gefängnisstrafe nicht mehr wert. Er hatte aber schon damals Angst, vor denselben Männern, vor Drogenhändlern. Ihnen schuldete er eben 350 Euro aus dem Kauf von Marihuana. Einen Teil der Drogen rauchte er selbst, den anderen verkaufte er. Bei der Durchsuchung fand die Polizei noch 13 Gramm, bemerkenswerterweise nicht im Zimmer des 19-Jährigen, sondern in dem seines jüngeren Halbbruders. Vor seiner Verhaftung lebte der Angeklagte bei seiner Mutter. Mit beiden verstehe er sich gut, sagt er, aber: „Ich hab’s verkackt“. Was auch auf seinen Lebenslauf passen würde. Nach dem Abschluss der Werkrealschule kam der junge Mann über einen 450-Euro-Job nicht hinaus. Zuletzt war er arbeitslos.

 

Die Dealer hatten für die Überfälle Tipps gegeben

Am 12. August vergangenen Jahres hatte er das erste Taxi bestellt, nachts um 3 Uhr auf einen Parkplatz ganz in der Nähe seiner Wohnung. Er hielt dem Fahrer ein Messer vor die Brust und forderte das Geld. Sein Gesicht war mit einem Tuch und einer Kapuze maskiert. Der Fahrer musste aussteigen und sein Handy im Wagen lassen. Der 19-Jährige verriegelte die Türen, nahm den Autoschlüssel mit und warf ihn weg. So hätten es ihm die Dealer geraten, sagt er, „damit der Fahrer nicht so schnell die Polizei rufen kann“. Der zweite Überfall in der Nacht darauf verlief nach demselben Schema. Der Angeklagte hat gestanden.

Fraglich ist, wie viel Drogen und Alkohol er bei den Taten im Blut hatte. Nach seiner Aussage waren es zumindest reichlich, eher überreichlich. Die Vorsitzende Richterin macht jedenfalls kein Geheimnis daraus, dass sie an der Aussage des Angeklagten dazu zweifelt und mahnt ihn, nicht zu übertreiben. „Ich weiß, dass sie den Therapieplatz wollen“, sagt sie.

Aus der Untersuchungshaft heraus hat der Angeklagte sich bei Release um einen Platz in einer Entzugsklinik bemüht und ihn zugesagt bekommen. Was ihm fehlt, ist die Zusage der Krankenkasse. Ob er sie bekommt, wird vom Urteil abhängen. Das Mühen um einen Entzug werten Richter üblicherweise als strafmildernd. Gleiches gilt für alles andere, was der 19-Jährige bisher unternommen hat, um den Schaden zumindest zu mindern. Einem Taxifahrer hat er das geraubte Geld zurückgezahlt. Der Versuch, den zweiten Überfallenen ebenfalls zu entschädigen scheiterte. „Das Unternehmen ist inzwischen insolvent“, sagt der Verteidiger Viktor Schulz. Außerdem hat der junge Mann Entschuldigungsbriefe an die Fahrer geschrieben. Den einen hält das Gericht noch zurück. Post aus der Untersuchungshaft wird grundsätzlich zensiert. Das andere Schreiben wird den Empfänger wohl nie erreichen. Der Taxifahrer ist inzwischen ausgewandert, nach Kambodscha.