Handauflagen, Gespräche mit dem Jenseits – zwei selbsternannte Heilerinnen aus Möglingen sollen eine Lehrerin mit esoterischen Praktiken systematisch in den Ruin getrieben haben. Jetzt stehen sie vor Gericht – und können plötzlich auf ein mildes Urteil hoffen.

Möglingen - Die beiden Damen, die im holzgetäfelten Saal 105 des Stuttgarter Landgerichts sitzen, wirken entspannt. Hier ein Lächeln, dort ein kleiner Plausch mit den Verteidigern. Sobald die Verhandlung fortgesetzt wird und die Richter den Saal betreten, kommt allerdings kein Ton mehr über die Lippen der 66-Jährigen und ihrer sechs Jahre jüngeren Geschäftspartnerin aus Möglingen.

 

Sie äußern sich nicht zu den Vorwürfen, wonach sie eine Frau über vier Jahre systematisch ausgebeutet und in den Ruin getrieben haben sollen. Und auch nicht zu ihren dubiosen Praktiken, bei denen sie spirituelle Heilung am Telefon versprachen und bessere Gesundheit durch Handauflegen. Im vergangenen Sommer hatte das Amtsgericht Ludwigsburg die selbsternannten Geistheilerinnen zu mehr als zwei Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie für ihre esoterischen Sitzungen völlig überhöhte Preise verlangt hatten.

Doch die beiden Frauen wehren sich gegen ihre Haftstrafe und haben Berufung eingelegt, weswegen sich nun das Landgericht mit dem abstrusen Fall beschäftigt.

Bis zu 300 000 Euro soll das Opfer hingeblättert haben

Die Staatsanwaltschaft, die das Ludwigsburger Urteil ebenfalls nicht akzeptieren will und damals eine höhere Strafe gefordert hatte, geht von mehr als 300 Sitzungen aus, die das Opfer, eine pensionierte Lehrerin, bei den Damen gebucht haben soll. Über vier Jahre hinweg, zwischen 2010 und 2014, sollen die Angeklagten das Opfer finanziell ausgebeutet haben – denn für die heilende Wirkung verlangten die Angeklagten große Gaben: Mindestens 80 000 Euro hat die 68-Jährige laut den Ermittlern für den Rat der Möglingerinnen und das Handauflegen bezahlt. Teilweise seien für wenige Minuten Behandlung 70 Euro fällig gewesen. Für die Anklage ist das ein strafbarer Wucher. Das Opfer selbst sprach vor Gericht von bis zu 5000 Euro im Monat, die sie den beiden Heilerinnen gegeben habe.

Der Bruder der Frau hat eigene Berechnungen angestellt und geht davon aus, dass fast 300 000 Euro nach Möglingen geflossen sind. Zudem habe seine Schwester auch persönliche Gegenstände wie einen Laptop und Geschirr zu den Heilerinnen getragen, um von deren angeblich übernatürlichen Kräften zu profitieren. Die Damen hätten behauptet, direkt mit Gottes Hilfe zu wirken, sagte das Opfer vor Gericht.

Dass die 68-Jährige derart hartnäckig an die Wirkung der spirituell-esoterischen Behandlung glaubte, liegt weniger an den übernatürlichen Fähigkeiten der Möglingerinnen, sondern an einer Persönlichkeitsstörung der ehemaligen Lehrerin, die heute im Bottwartal wohnt. Die Frau sei ängstlich und hilfesuchend, sagte ein Arzt am Montag vor Gericht. Sie sei leicht von Dritten zu beeinflussen und suche bei vermeintlichen Autoritätspersonen nach Orientierung im Leben. Damit war sie ein ideales Opfer für die Angeklagten.

Erst mithilfe ihres Bruders schaffte es die 68-Jährige, den Kontakt zu den Geistheilerinnen abzubrechen und eine stationäre Psychotherapie zu beginnen. Durch eine Anzeige brachte die Frau das Verfahren in Gang.

Die Angeklagten sind offiziell Pleite

Doch statt einer harten Gefängnisstrafe winkt den Heilerinnen in der Berufungsverhandlung ein milderes Urteil – wenn sie ihr Schweigen brechen. Die Stuttgarter Richter schlugen am Montag vor, dass die Damen mit einer Bewährungsstrafe davonkommen, sollten sie die Vorwürfe zugeben. Zudem sollen sie je 10 000 Euro Schadenersatz an das Opfer bezahlen. Während die Ludwigsburger Richter angeordnet hatten, dass die Damen auch die 80 000 Euro zurückzahlen müssen, ist davon in dem Verständigungsvorschlag keine Rede mehr. Auf den Konten der Angeklagten konnte die Polizei keine größeren Summen finden.

Vor dem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Frauen signalisiert haben, dass sie dem Deal zustimmen würden. Das Geld für den Schadenersatz wollen sie sich leihen. Anders sei der Betrag, sagt jedenfalls die Verteidigung, nicht aufzubringen: Während die Ältere Rente bezieht, bekommt die Jüngere Hartz 4. Die Staatsanwaltschaft kündigte indes an, dem Vorschlag der Richter nicht zuzustimmen – er sei der Tat nicht angemessen. Sollte es zu keiner Verständigung kommen, muss das Landgericht ein neues Urteil fällen.