Ein 38-Jähriger hat mit drei Komplizen 450 000 Euro erbeutet, bis ihm die Polizei eine Falle stellte. Vor Gericht brachte der Angeklagte auch den Staatsanwalt in einen Zwiespalt.

Stuttgart - Dass er als angeblicher Polizist ältere Menschen um ihr Vermögen prellte, bezeichnete der Angeklagte vor Gericht als „Dummheit“. Nach einem Geständnis geht es nur noch um das Strafmaß.

 

Die Masche war stets die gleiche. Ältere, meist alleinstehend wohnende Bürger bekamen einen Anruf von einer vermeintlichen Polizeibehörde. Diese gaukelte vor, dass die Hausbewohner einen Einbruch einer aus Rumänien stammenden Bande zu befürchten hätten, weil Name und Adresse auf einer Liste entdeckt worden seien. Aus Sicherheitsgründen sollten die bedrohten Senioren Schmuck und Bargeld von einem Zivilbeamten vorübergehend abholen lassen, um die Wertgegenstände in Sicherheit zu bringen.

Anrufe kamen aus Izmir

Zwischen April und Juni 2018 fielen sieben Personen auf das falsche Spiel herein. Zweimal scheiterte der Coup, aber in fünf Fällen war die aus vier Personen bestehende kriminelle Vereinigung erfolgreich. Dabei wurden rund 450 000 Euro erbeutet. Der größte Batzen fiel in Stuttgart an. Eine 78-jährige Frau aus dem Sillenbucher Stadtteil Riedenberg war durch einen Anruf so verunsichert worden, dass sie bereit war, einem angekündigten Polizisten ihren hochwertigen Schmuck zur Sicherung zu übergeben. Am 13. April ließ die Seniorin von dem angeblichen Beamten zur vermeintlichen Spurensicherung Bilder von über 70 Schmuckstücken machen, ehe der Mann mit einem Stoffbeutel und dem 300 000 Euro wertvollen Inhalt entschwand. Dieser ging aber nicht zur Polizeibehörde, sondern wurde am nächsten Tag am Flughafen Hannover über eine Frau in die Türkei geschleust. Und damit zum Ursprung des Verbrechens, kamen doch die einleitenden Anrufe alle aus einem Callcenter in Izmir.

Am 4. Juni tappten die Betrüger in Hannover auf frischer Tat in eine Falle der echten Polizei, nachdem diese Wind bekommen und einen Zusammenhang zwischen Straftaten in Pforzheim (zwei Fälle), Hamburg (drei) und eben jener in Stuttgart herstellen konnte. Seit 1. Oktober sitzt der falsche Polizist in Untersuchungshaft. Der 38-Jährige musste sich nun vor der 8. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts für gewerbs- und bandenmäßigen Betrug verantworten.

Angeklagte ist ein „grundsympathischer Mensch“

Der gebürtige Libanese, mit neun Jahren nach Salzgitter gekommen und seit 2010 deutscher Staatsbürger, präsentierte sich den Behörden bereits bei den Vernehmungen als in hohem Maß geständig und kooperativ, was die Aufdeckung von Tathergängen und Hintermännern betrifft. Nicht anders vor Gericht: Eine zeitraubende Beweisaufnahme konnte stark abgekürzt werden, indem der Beschuldigte die verlesene Anklageschrift sogleich als „inhaltlich zutreffend“ bezeichnete.

Schon nach kaum 60 Minuten Verhandlung durften Staatsanwalt und Verteidiger in ihren Plädoyers ihre Vorstellungen eines gerechten Strafmaßes darlegen. Staatsanwalt Scheck machte aus seinem „Zwiespalt“ keinen Hehl. Auf der einen Seite ein „grundsympathischer Mensch“, der selber nur einen Bruchteil (10 000 Euro) der Beute abbekam, noch nie vorbestraft war, ein familiär und beruflich stabiles Umfeld besitze und geständig sei. Andererseits aber doch ein Täter, mitverantwortlich für eine Strafserie mit hoher Geldsumme. Scheck verlangt viereinhalb Jahre Haft. Verteidiger Holoch sieht „keine Flucht-, Wiederholungs- und Verdunklungsgefahr“ beim Angeklagten und beantragte beim Gericht, die „höchstens drei Jahre Haft“ außerhalb von Gefängnismauern verbüßen zu können. Das Urteil wird an diesem Mittwoch gesprochen.