Ein 40-Jähriger gesteht vor dem Landgericht Stuttgart den Raub in einem Juweliergeschäft im Sindelfinger Stern-Center, will aber eine geringere Beute gemacht haben.

Stuttgart - In der Tatnacht im September 2016 ging es dem Angeklagten nach eigener Aussage „nicht gut“. Er hatte kein Kokain mehr vorrätig und wollte sich welches beschaffen. „Ich hatte Entzugserscheinungen, konnte nicht mehr schlafen, habe gezittert und geschwitzt“, beschreibt der 40-Jährige vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart seinen Zustand in der Tatnacht. In solch einer Lage komme er schon mal „auf blöde Gedanken“. So habe er die Idee gehabt, mit einem Komplizen ein Juweliergeschäft im Einkaufszentrum Stern-Center in Sindelfingen zu berauben, wie der Angeklagte zugibt. Über die Höhe der Beute, die von der Besitzerin des Geschäfts mit rund 18 000 Euro beziffert wird, gibt es jedoch widersprüchliche Aussagen.

 

Dem 40-Jährigen wird laut Anklageschrift ein gemeinschaftlicher, besonders schwerer Raub vorgeworfen. Dafür muss er sich erst knapp drei Jahre nach der Tat verantworten, weil der einschlägig Vorbestrafte zuvor schon eine Haftstrafe verbüßte. Zwei Tage vor der Tat in Sindelfingen war er in eine Vereinsgaststätte in Stuttgart eingebrochen. Erst während seiner Haft konnte der Zusammenhang zu der Tat in Sindelfingen hergestellt werden. Wer sein Komplize ist, weiß der Angeklagte angeblich nicht – lediglich, dass er ihn in einer Obdachlosenunterkunft in Stuttgart kennengelernt hat, dass er Sergej heißt und groß und blond ist, gibt er vor Gericht an.

Security-Mitarbeiterin überraschte die mutmaßlichen Diebe

Klar ist: Die beiden hatten in der Tatnacht gemeinsam mit einer Kugelhantel die Scheibe des Juweliers eingeschlagen. Mit einem Hammer hatten sie anschließend eine Vitrine eingeschlagen, Schmuck entnommen und ihn nach Angaben des Angeklagten in einer Tasche verstaut. Eine Security-Mitarbeiterin war bei ihrem nächtlichen Rundgang auf das gesplitterte Glas vor dem Juwelier aufmerksam geworden. Sie verständigte ihren Kollegen und die Polizei. „Im Laden war es dunkel“, berichtet der als Zeuge geladene Sicherheitsmitarbeiter. Doch plötzlich sei ein maskierter Mann aus dem Laden und an ihnen vorbeigerannt. Ein zweiter Mann habe mit einem Hammer gegen die bereits beschädigte Vitrine geschlagen – „wahrscheinlich, um uns Angst zu machen“, mutmaßt der Sicherheitsmitarbeiter. Anschließend soll der Mann mit dem erhobenen Hammer auf die zwei Wachleute zugekommen sein und „Hau ab! Hau ab!“ gerufen haben. Daraufhin ließen die Sicherheitsmitarbeiter, die sich von ihm bedroht fühlten, den ebenfalls maskierten Mann gehen. Dieser floh nach eigenen Angaben gemeinsam mit seinem Komplizen. Hammer und Kugelhantel ließen sie am Tatort zurück.

Auch die Tasche mit der Beute will der Angeklagte weggeworfen haben, nachdem er etwa 15 Minuten zu Fuß in Sindelfingen umhergerannt war. Von der Beute fehlt bis heute jede Spur. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir erwischt werden. Ich war in Panik vor der Polizei“, erklärt er. Mit einem Taxi sei er schließlich mit seinem Komplizen nach Böblingen gefahren, dort in ein anderes Taxi gestiegen und nach Stuttgart gefahren.

Angeklagter widerspricht Angaben der Juwelierladenbesitzerin über Höhe der Beute

Der Angeklagte, der während der Zeugenbefragungen abwesend wirkt und vor sich hinstarrt, wird nur bei seiner Befragung durch den Vorsitzenden Richter Rainer Gless lebhaft. Dass die Besitzerin des Juweliergeschäfts eine lange Liste mit gestohlenen Gegenständen angegeben hat, versteht er nicht. „Wir haben nur eine Handvoll Schmuck aus einer Vitrine genommen. Mehr Zeit blieb uns nicht, bis die Wachleute kamen“, beteuert er. Dass er unter anderem 73 wertvolle Uhren und einen Laptop mitgenommen habe, bestreitet er vehement: „Es waren nur zwei Ketten, ein Armband und sieben bis acht Ringe.“

Auch Verteidigerin Brigitte Tilgner gibt zu bedenken, dass unter den angegebenen Stücken auch Schmuck ist, der 13 Jahre vor dem Raub angeschafft wurde. „Es wirkt ein bisschen so, als hätte man die Gelegenheit genutzt, auch die Ladenhüter bei der Versicherung anzugeben“, sagt Tilgner. Um diesen Widerspruch zu klären, will Richter Gless bei der Fortsetzung des Prozesses am 25. Juni auch die Juwelierladenbesitzerin als Zeugin befragen.