Weil sich Dieselkraftstoff nicht so einfach entzünden lässt, verläuft ein Anschlag auf das Büro eines Baumarkts, der am Stuttgarter Landgericht verhandelt wird, glimpflich.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Ist es am Ende nur fehlendes chemisches Wissen gewesen, das die Mitarbeiter eines Baumarkts in Bad Cannstatt am 29. März vor möglichen dramatischen Folgen bewahrt hat? „Nein“, behauptet die Angeklagte Gentiana K., sie habe ganz bewusst nicht Benzin verwendet, sondern schwer entzündlichen Diesel, um ihre ehemaligen Kolleginnen und Kollegen nicht zu gefährden. Vor allem ihrem Ex-Chef habe die 28-Jährige einen Schrecken einjagen wollen, mehr aber nicht, sagt sie. Vor dessen Büro hatte Gentiana K. am Tattag Kraftstoff aus einem Kanister an die Hauswand geschüttet und, als der Marktleiter sein Fenster öffnete, auch in das Gebäude hinein. In der Folge hielt sie immer wieder ein brennendes Feuerzeug an die Flüssigkeit. Kurze Zeit später wurde sie vom Filialleiter und einem seiner Mitarbeiter überwältigt und von ihnen bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten.

 

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Vor der 5. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart unter dem Vorsitz von Richter Volker Peterke legt die Staatsanwaltschaft der Angeklagten beim Prozessauftakt versuchte schwere Brandstiftung zur Last. Die ledige Mutter eines neunjährigen Sohnes war nach der Tat zunächst in Untersuchungshaft in der JVA Schwäbisch Gmünd. Mittlerweile ist sie aber in der Psychiatrie in Ravensburg-Weissenau untergebracht, nachdem ihr in einem Gutachten paranoide Schizophrenie und damit Schuldunfähigkeit attestiert worden war. Dieser Diagnose widerspricht Gentiana K. Sie habe während der Tat unter einer zwischenzeitlichen Psychose gelitten, die durch vorangegangenes Cannabisrauchen ausgelöst worden sei. Chronisch sei das nicht. „Ich will zurück ins Gefängnis“, sagt die Angeklagte, die eine Abschiebung in ihr Geburtsland Kosovo fürchten muss.

Hoch motiviert, aber nicht teamfähig

Eine Ex-Kollegin und der Chef des Baumarktes zeichnen von der Angeklagten dasselbe Bild: intelligent, hoch motiviert, sehr ehrgeizig. Dazu passt, dass sie nach der Hauptschule im Cannstatter Baumarkt eine Stelle erhielt, die Ausbildung zur Verkäuferin mit einem Einserschnitt abschloss und sich so auch den Realschulabschluss verdiente. Es mangelte aber offenbar an der Teamfähigkeit. Ratschläge habe sie häufig wutentbrannt zurückgewiesen, wie jeden, weniger zu arbeiten, um sich mehr um ihr Kind zu kümmern. Das lebt nun beim Vater.

Nach der Lehre verließ die Angeklagte den Cannstatter Baumarkt, die angebotene Weiterbeschäftigung an der Kasse lehnte sie ab. Gentiana K. wechselte zu einem anderen Baumarkt. Zweimal kehrte sie aber zu ihrer Ausbildungsstelle zurück. Einmal im Jahr 2020, als sie dort mit einem Messer auf dem Parkplatz auftauchte. Unklar ist, ob sie zwei Kolleginnen nach Ladenschluss bedrohen wollte. Die Angeklagte sagt, sie hatte geplant, die Reifen des Wagens aufzuschlitzen, in den die Frauen flüchteten.

Das nächste Mal stand sie am 29. März 2021 vor der Tür. Als Motiv für die Tat gibt Gentiana K. an, sich für sexuelle Belästigungen durch Vorgesetzte gerächt zu haben. Ein Vorwurf, den der Marktleiter wie auch auch die frühere Kollegin als „haltlos“ und „absurd“ bezeichnen. Gegen die Version der Angeklagten lediglich „Angst einjagen“ zu wollen, spricht dann ihre Polizei-Aussage. Darin heißt es, dass sie davon ausgegangen sei, dass sich der Treibstoff entzündet.