Der 27 Jahre alte Mann hatte angeblich geglaubt, vergiftet zu werden. Aufgrund einer tödlichen Messerattacke in einer Offenburger Arztpraxis wird ihm Mord zur Last gelegt.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Offenburg - Vor überfüllten Zuschauer- und Presserängen hat im Landgericht in Offenburg (Ortenaukreis) der Prozess gegen einen 27-jährigen Somalier begonnen, dem die Staatsanwaltschaft Mord und gefährliche Körperverletzung vorwirft. Staatsanwalt Kai Stoffregen schilderte, wie der abgelehnte Asylbewerber mit Schutzstatus am Vormittag des 16. August 2018 in die Praxis des Allgemeinmediziners Joachim T. (52) gegangen war und sofort das Behandlungszimmer betreten hatte.

 

Mit den Worten „Was hast du gemacht?“ habe Saleban A. ein Messer unter der Jacke hervorgezogen und mindestens 20 Mal auf Kopf, Brust und Hals des Arztes eingestochen. Auch eine Arzthelferin, die ihrem Chef helfen wollte, wurde getroffen und verletzt. Das offenbar am Vortag in einem Supermarkt erworbene Küchenmesser mit einer 13 Zentimeter langen Klinge ließ der Täter im Bauch seines auf der Stelle gestorbenen Opfers stecken.

Die Blutspur wies in die Unterkunft des Asylbewerbers

Der Täter hatte sich selbst ebenfalls verletzt und hinterließ eine Blutspur, die der Polizei den Weg zu der Unterkunft des Somaliers wies. Dort wurde dann auch blutverschmierte Kleidung gefunden. Verhaftet wurde Saleban A. schließlich in der Nähe des Bahnhofs. „Er sagte nichts, aber er wehrte sich gegen alles“, berichtete ein Kriminalhauptkommissar als Zeuge. Insbesondere habe er sich gegen die Blutentnahme gesträubt mit den Worten: „Ich werde vergiftet.“

In der Verhandlung am Mittwoch wollte der mutmaßliche Täter sich zum Tathergang nicht äußern, behauptete aber, er sei „unschuldig“ verhaftet worden. Außerdem habe er einen anderen Namen. Zudem verlangte er einen Anwalt. Vom Vorsitzenden Richter Heinz Walter darauf hingewiesen, dass er zwei Pflichtverteidiger zur Seite habe, beharrte der Angeklagte dennoch darauf, einen Anwalt seines Vertrauens bestimmen zu dürfen, die Pflichtverteidiger seien ihm „geschickt“ worden und könnten ihm nicht helfen. Auf die freie Wahl eines Anwalts sei er hingewiesen worden, er habe sie nicht wahrgenommen, entgegnete ihm der Vorsitzende. Weil der Angeklagte einen Dolmetscher braucht, gestalteten sich die Dialoge kompliziert, vieles blieb unverständlich. „Ich bin krank“, behauptete der Angeklagte, ließ aber offen, um welche Krankheit es sich handelt. Bei dem getöteten Arzt war er laut den polizeilichen Ermittlungen zuletzt zwei Jahre vor der Tat.

Der Getötete war ein bei vielen Ausländern beliebter Ansprechpartner

„Er hat dem Dolmetscher gesagt, dass ihn der Arzt vergiften wollte“, gab der Kriminalhauptkommissar zu Protokoll. Eine Behauptung, die mit Blick auf das Todesopfer geradezu absurd wirkt. „Er war Mediziner durch und durch, und seine oberste Prämisse war es, den Menschen zu helfen“, sagte der Bruder des Getöteten im Zeugenstand. Der Offenburger Arzt war nach Auskunft vieler, die ihn kannten, ein gerade bei Ausländern beliebter Ansprechpartner. „Er hat keinen weggeschickt“, sagte sein Bruder und berichtete, dass seine Schwägerin seit der Tat in therapeutischer Behandlung sei. Unverständnis habe in der Familie allerdings darüber geherrscht, dass ein angeblich Ende 2017 eingegangener Anruf in der Arztpraxis bei der Polizei auf wenig Interesse gestoßen sei. Eine Anruferin, angeblich eine Psychologin, habe ein Attest für einen abgelehnten Asylbewerber verlangt, um eine Abschiebung abzuwenden. Dies habe der Arzt verweigert. Das habe man sehr wohl ernst genommen, sagte der Kriminalhauptkommissar, aber nachweisbar sei das nicht.

Zur Charakterisierung des Täters sei auch wichtig, dass er sich zunehmend isoliert habe. Er sei als Einzelgänger bekannt gewesen, ein Beschäftigungsverhältnis sei nach einem halben Jahr vom Arbeitgeber beendet worden, weil Saleban A. mit einigen Kollegen und insbesondere mit Frauen nicht zusammenarbeiten wollte.

Im Flüchtlingsheim sei er in einen Konflikt mit Afghanen verwickelt gewesen, ein Flüchtlingshelfer habe Anzeichen für eine psychische Störung gesehen. Im Gerichtssaal sind zwei Sachverständige vertreten, die sich mit dieser Frage befassen, um eine Schuldfähigkeit festzustellen oder zu verneinen. Die Verhandlung wird an fünf Tagen fortgesetzt, das Urteil könnte am 21. Februar gefällt werden.