Bei den Standortwerbern des Landes hat es in der Vergangenheit offenbar erhebliche Unregelmäßigkeiten gegeben. Nach Hinweisen an die neue Spitze werden die Vorgänge nun aufgearbeitet. Im Zentrum steht eine frühere Mitarbeiterin.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Bei der Wirtschaftsfördergesellschaft des Landes, Baden-Württemberg International (BWI), ist es in der Vergangenheit möglicherweise zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Entsprechende Informationen der Stuttgarter Zeitung bestätigte die Aufsichtsratsvorsitzende von BWI, Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Hinweise auf Vorgänge aus früheren Jahren seien an die aktuelle Geschäftsführung herangetragen worden. Diese habe umgehend den Aufsichtsrat informiert, der eine „vertiefte Sonderprüfung“ unter Einbeziehung externer Prüfer in Auftrag gegeben habe. Derzeit liege „noch keine abschließende Bewertung des Gesamtvorgangs vor“, sagte Hoffmeister-Kraut. Daher könne man noch nichts Näheres zu Art und Umfang von Unregelmäßigkeiten und möglichen Konsequenzen sagen. Der Aufsichtsrat werde in seiner nächsten Sitzung am 11. Dezember über das weitere Vorgehen beraten.

 

Nach StZ-Informationen geht es um mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Aufträgen durch BWI. Im Blick sind beauftragte Firmen, die in Verbindung zu einer früheren Mitarbeiterin der Wirtschaftsfördergesellschaft stehen. Diese war bereits vor einigen Jahren gekündigt worden, nachdem länger andauernde Spannungen in einem Eklat eskaliert waren; dabei soll es sogar zu Handgreiflichkeiten gegen den Ende 2011 ausgeschiedenen BWI-Chef Michael Hagenmeyer gekommen sein. Trotzdem wurde die Mitarbeiterin in den Folgejahren wieder umfänglich für BWI tätig, zur Verwunderung vieler Ex-Kollegen. Die Beauftragung soll über die jetzt in den Fokus geratenen Firmen erfolgt sein.

Im Sommer 2016 wurde noch abgewiegelt

Bereits im Sommer 2016 hatte die Stuttgarter Zeitung sich bei BWI nach den Modalitäten von Auftragsvergaben im Zusammenhang mit der Ex-Mitarbeiterin erkundigt. Der damalige Geschäftsführer Jürgen Oswald (SPD) ließ darauf antworten, Aufträge würden „gemäß den Richtlinien unseres Organisationshandbuches“ ausgeschrieben, gegebenenfalls hole man Vergleichsangebote ein. So sei auch bei den fraglichen „Dienstleistern“ verfahren worden. Nach StZ-Informationen lief die Beauftragung der Firmen über einen Co-Geschäftsführer von BWI, der ebenso wie Oswald inzwischen ausgeschieden ist. Dieser habe die Geschäftsbeziehung intern äußerst diskret behandelt und auch Kollegen und Mitarbeitern nur spärlich Einblick gewährt, verlautet aus BWI-Kreisen.

Nach seinem Amtsantritt zu Jahresbeginn wurde der neue BWI-Geschäftsführer Kai Schmidt-Eisenlohr (Grüne) intern auf Unstimmigkeiten hingewiesen. Als Reaktion wurde eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und eine Anwaltskanzlei mit der Aufarbeitung der Vorgänge beauftragt; ein vorläufiger Bericht liegt dem Aufsichtsrat, wie man hört, inzwischen vor. Untersucht wurde nach StZ-Informationen ein Zeitraum von acht Jahren, der teilweise noch die Amtszeit des früheren BWI-Chefs Hagenmeyer umfasst. Auch der ehemalige Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) soll als BWI-Chefaufseher teilweise über die Vorgänge informiert gewesen sein.

Erhebliche Lücken in der Dokumentation

Die Prüfer stießen nach StZ-Informationen auf zahlreiche Merkwürdigkeiten rund um die Aufträge, die in Summe etwa eine Million Euro umfassen sollen. Erhebliche Zweifel gibt es nicht nur, ob Ausschreibung und Vergabe ordnungsgemäß erfolgten; teilweise ist auch unklar, ob die Leistungen tatsächlich erbracht wurden. Die Dokumentation soll äußerst lückenhaft sein, weshalb die Vorgänge nur schwer nachvollziehbar seien. Viele Nachweise fehlen, andere wurden möglicherweise erst nachträglich gefertigt. Regelmäßig soll auch gegen das Vier-Augen-Prinzip verstoßen worden sein.

Zur Frage nach möglichen straf- oder zivilrechtlichen Konsequenzen äußerte sich das Wirtschaftsministerium zunächst nicht. Nach StZ-Informationen deutet einiges darauf hin, dass die Geschäftsbeziehung zu der früheren Mitarbeiterin bewusst verschleiert werden sollte. Dem könnte auch die Beauftragung über Firmen gedient haben, die an sie wiederum Unteraufträge erteilten. Zudem könnte ein Fall von Scheinselbständigkeit vorliegen, in dem eigentlich anfallende Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden. Dies wird offenbar noch geprüft.

Was wusste der frühere BWI-Chef Oswald?

Der frühere BWI-Chef Oswald, der heute wieder im Wirtschaftsministerium arbeitet, soll die Vorgänge zumindest teilweise gekannt haben, aber nicht eingeschritten sein. Oswald war 2011 auf Betreiben der SPD gekürt worden. Die grün-schwarze Koalition hatte seinen Ende 2016 auslaufenden Vertrag nach einigem Hin und Her nicht verlängert.