Vorab bekannte Prüfungsaufgaben, auf Wunsch verbesserte Noten: das gab es bei einem Professor an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen zwar, aber es verstieß nach einem Untersuchungsbericht nicht gegen die internen Regeln.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Ist es an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen zu Unregelmäßigkeiten bei Prüfungen und der Vergabe von Noten gekommen? Diesen im November 2016 durch StZ-Recherchen bekannt gewordenen Verdacht sieht die Hochschule jetzt ausgeräumt. Nach dem Abschlussbericht einer Kommission, der an diesem Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, gab es bei einem Professor des Fachbereichs Informatik zwar tatsächlich erhebliche Auffälligkeiten. Die Praktiken hätten aber gleichwohl nicht gegen die Studien- und Prüfungsordnung verstoßen, heißt es in dem vom Wissenschaftsministerium abgesegneten Bericht. Untersucht wurde allerdings nur eine bestimmte Klausur. Hinweise von Studenten und Absolventen, dass es bei dem Professor seit Jahren fragwürdige Vorgänge gebe, griff die Kommission erst gar nicht auf.

 

Einem anderen Informatik-Professor war aufgefallen, dass die von dem Kollegen vergebenen guten Noten im Programmieren nicht zum Leistungsniveau der Studenten passten. Die mutmaßlichen Gründe: Zum einen sollen Prüfungsaufgaben bekannt gewesen sein. Die Studenten hätten Fragen und Antworten vorab mitschreiben können und die Aufzeichnungen dann in die anstehende Klausur mitbringen dürfen. Zum anderen soll der Professor Noten auf Wunsch bereitwillig verbessert haben. Der andere Professor hatte sich deswegen an die Hochschulleitung gewandt, die aber zunächst keinen Grund zum Eingreifen sah.

Als Chefermittler ein 80-jähriger Professor

Erst als auch Studierende die Vorwürfe bestätigten und die StZ über den Fall berichtete, wurde sie aktiv. Zur Aufklärung wurde eine offiziell „unabhängige“ Kommission eingesetzt, die indes fast ausschließlich aus internen Mitgliedern bestand. Von außen kam der Vorsitzende, der Freiburger Professor und Experte für Hochschularbeitsrecht, Manfred Löwisch (80). Ihr Auftrag war allerdings eng darauf beschränkt, Inhalt und Ablauf der Abschlussprüfung eines Programmierkurses im Wintersemester 2014/15 zu untersuchen.

Der Abschlussbericht liegt hochschulintern bereits seit Ende Januar vor, blieb wegen der Abstimmung mit dem Ministerium von Theresia Bauer (Grüne) aber lange unter Verschluss. Nach StZ-Informationen stellten Löwisch und seine Kollegen fest, dass mindestens drei von zehn Fragen der fraglichen Klausur exakt aus einem Fragekatalog stammten, den der Professor den Studierenden vorab vorgestellt hatte. Die anderen Fragen hätten mehr oder weniger davon abgewichen und somit „eigene Denkarbeit“ erfordert. Allerdings waren die Unterschiede zum Teil gering; in einem Fall ging es lediglich darum, ob Klammern eckig oder rund waren.

Note eins für drei Viertel der Teilnehmer

Entsprechend gut fielen nach dem Kommissionsbericht die Noten aus: fast drei Viertel der Studenten (74 Prozent) erhielten eine eins, also „sehr gut“. Bei anderen Lehrveranstaltungen dieses Semesters lag dieser Anteil zwischen 3,6 und 16,7 Prozent, heißt es in dem Bericht. Die zunächst mit 21 Prozent angegebene Durchfallquote, auf die auch das Ministerium verwiesen hatte, relativierte sich stark: ohne die unentschuldigt fehlenden Studenten reduzierte sie sich auf gut zwei Prozent. In einem Fall sei eine Note nachträglich von 1,7 auf 1,0 verbessert worden; Willkür habe dabei weder nachgewiesen noch widerlegt werden können. Insgesamt konnte die Kommission keine Verstöße gegen die Prüfungsordnung und keine Überschreitung von Ermessensspielräumen feststellen. Sie empfiehlt der Hochschule aber, ihre Prüfungspraxis zu überdenken und zu verbessern. Auch die Notenvergabe des fraglichen Professors solle überdacht werden.

Weitere Hinweise interessieren nicht

Weiter gehende Untersuchungen lehnten Löwisch und die Mitglieder an mehreren Stellen mit dem Hinweis ab, man wolle nicht „ins Blaue hinein“ Nachforschungen anstellen. Auf die zunächst vorgesehene Anhörung von Studierenden wurde später dann doch verzichtet. Eine Begründung: deren Angaben bezögen sich auch auf andere Prüfungen als die untersuchte. Nicht interessiert zeigten sich die Hochschule und die Kommission auch an Berichten von Studenten und Absolventen gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Diese hatten fragwürdige Praktiken des Professors schon für frühere Jahre bestätigt: Klausuraufgaben seien wiederholt vorab bekannt gewesen, Noten hätten sich aushandeln lassen. Das dadurch gesunkene Niveau habe den Ruf von Absolventen auch bei heimischen Unternehmen beeinträchtigt.

Schon vor einigen Jahren sei eine interne Untersuchung in Gang gekommen, aber wieder versandet, berichtete ein Absolvent. Der Grund: der fragliche Professor habe sich selbst daran beteiligt. Auf das Angebot der StZ, einen vertraulichen Kontakt zu den Informanten zu vermitteln, ging die Kommission nicht ein. Zuvor hatte die Rektorin Ingeborg Mühldorfer wenig Verständnis für den Wunsch nach Vertraulichkeit gezeigt. Zusammen mit Löwisch und zwei weiteren Kommissionsmitgliedern wird sie den Bericht am Mittwoch in Albstadt den Medien präsentieren.