Wann und wo genau die ersten Pferde gezähmt wurden, haben Forscher noch immer nicht vollständig verstanden. Genetische Untersuchungen zeichnen ein neues Bild von der Domestikation der Pferde.

Potsdam - Es muss eine Revolution gewesen sein. Vor rund 5500 Jahren beschlossen die Menschen der Botai-Kultur im heutigen Kasachstan, ihr Leben von Grund auf umzukrempeln. Statt auf der Jagd nach Wildpferden, Hirschen, Elchen und anderen Tieren über die Steppe zu ziehen und an jedem Ort nur kurz zu verweilen, wurden sie plötzlich sesshaft. Das Dorf Botai mit seinen mehr als 160 Häusern und etliche kleinere Siedlungen entstanden. Dort drehte sich von nun an alles um die neuen vierbeinigen Gefährten, die den Menschen das Überleben sicherten: In Botai finden sich die ältesten bekannten Spuren gezähmter Pferde.

 

Ein internationales Wissenschaftlerteam um Ludovic Orlando vom Naturkundemuseum in Kopenhagen hat nun einen Blick ins Erbgut dieser Tiere geworfen. Aus erhalten gebliebenen Knochen haben die Forscher das Erbmaterial DNA isoliert und mit dem von zahlreichen anderen alten und modernen Pferden verglichen – mit überraschenden Ergebnissen. Die Geschichte des Zusammenlebens von Mensch und Pferd muss demnach teilweise neu geschrieben werden.

300 000 Knochenreste ausgegraben

„Wie diese Geschichte genau angefangen hat, ist immer noch ein Rätsel“, sagt Michael Hofreiter von der Universität Potsdam, der an der Studie mitgearbeitet hat. Das hängt unter anderem mit dem Schauplatz der Ereignisse zusammen: In den Weiten der eurasischen Steppen sind Fossilien ziemlich schwierig zu finden. Die Reihe der Zeitzeugen, die von den verschiedenen Stufen der Zähmung und Haltung erzählen könnten, ist deshalb noch ziemlich lückenhaft.

In Botai haben Archäologen allerdings mehr als 300 000 Knochenreste ausgegraben, von denen mehr als 90 Prozent von Pferden stammen. Und es gibt eine ganze Reihe von Hinweisen darauf, dass es sich dabei schon um echte Nutztiere handelte. So sprechen bestimmte Abnutzungserscheinungen an den Zähnen dafür, dass die Tiere Zaumzeug getragen haben. Sie könnten also durchaus als Zug- oder sogar Reittiere im Einsatz gewesen sein. Analysen von Fettresten in Keramikgefäßen verraten zudem, dass die Menschen auch die Milch der Stuten getrunken haben. Zudem haben Archäologen Indizien dafür gefunden, dass die Tiere in Koppeln gehalten und in den Dörfern geschlachtet wurden.

Wann genau diese Pferde zu Gefährten des Menschen geworden sind, können die Forscher bisher allerdings nicht sagen. „Dazu müssten wir Proben von Wildpferden aus der gleichen Region haben“, sagt Michael Hofreiter. „Und die fehlen bisher“.