Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Es überrascht nicht, dass Liebe oder tragfähige Beziehungen Menschen offenbar davor schützen, Straftaten zu begehen. Eine Beziehung, so berichten der Entwicklungspsychologe Olaf Reis und der Kinder- und Jugendpsychiater Steffen Weirich, ist einer der Faktoren, die ihre jugendlichen Klienten, die an schizophrenen Störungen leiden, stützen. Ein Großteil beider Arbeit sei deshalb auch, Rahmenbedingen zu optimieren. Das ist sowohl Schutz für die Erkrankten als auch für deren potenzielle Opfer, werden schizophren erkrankte Menschen doch häufiger wegen einer Straftat verurteilt als andere.

 

Vereinsamung und Selbstisolation ziehen sich auch wie ein roter Faden durch die Leben terroristischer Täter und Gesinnungstäter, mit denen sich der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Henning Saß seit Jahren als Gutachter beschäftigt. Aktuell ist er vom Münchner Oberlandesgericht im NSU-Prozess mit einem Gutachten zur Schuldfähigkeit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe beauftragt. In Berlin spricht er deshalb nicht über sie, sondern über die Radikalisierung im Leben des Una-Bombers Theodore Kaczynski, des Norwegers Anders Breivik oder des Islamisten Emrah E. Den universellen Typus des Gesinnungstäters und den universellen Lebensweg des Gesinnungstäters gibt es nach Saß’ Überzeugung nicht. Bei den islamistischen Tätern sieht der Psychiater meist keine Krankheitsstörungen.

Bewusste Entscheidung zur Radikalisierung

Gemeinsam sind den unterschiedlichen Persönlichkeiten jedoch egozentrische und narzisstische Züge. In den Biografien spielen Schwächen im Selbstwertgefühl und Isolierung eine wichtige Rolle, die wiederum mit dem Streben nach Macht und Grandiosität einhergehen. Alle formulieren Manifeste zu ihrem Tun oder erfahren Stärkung nach Brüchen in der Biografie durch eine Gruppe oder eine radikale Ideologie. Die lange Entwicklung zu extremen Sichtweisen bedeutet für Saß, dass sich die Täter immer wieder für diesen Weg entscheiden – und sich deshalb auch dagegen hätten entscheiden können. Kommt nicht noch Krankheit zu ihrem Tun, seien diese Täter schuld – und einsichtsfähig. Sie können für ihre Taten vor Gericht also zur Verantwortung gezogen werden.