Menschen achten stärker auf äußere Werte, als ihnen bewusst ist. Studien zeigen: Hübsche Menschen haben es in vielerlei Hinsicht leichter.  

Stuttgart - Die 16-jährige Lena steht in der Umkleide und flucht: "So ein Mist, das Kleid sieht scheußlich aus und es kneift. Habe ich so zugenommen?" Lena zieht die Vorhänge zu, setzt sich hin und fühlt sich hässlich. Eigentlich wollte sie mit dem neuen Kleid am Abend auf eine Party, doch nun ist die Vorfreude dahin. Das Kleid bleibt im Laden. Lena ist keine Ausnahme. Jedes zweite Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren findet sich zu dick, teilt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit. Jedes vierte habe schon über eine Schönheitsoperation nachgedacht.

 

Doch nicht nur unter Teenagern wächst die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, schreibt die Psychologin Ursula Nuber in ihrem Buch "Das 11. Gebot - Mit Gelassenheit das Leben meistern". Es festigt sich in der Gesellschaft ihrer Meinung nach die verheerende Ansicht, dass ein als schön geltender Körper für ein glückliches Leben essenziell sei. Nuber hält in ihrem Buch ein Plädoyer für einen entspannteren Umgang damit. Das Streben sollte dahin gehen, sich in seinem Körper wohlzufühlen.

Hübsche Babys werden bevorzugt

Zahlreiche Studien belegen aber, dass schöne Menschen im Leben tatsächlich viele Vorteile haben. Die auf "Attraktivitätsforschung" spezialisierte US-amerikanische Psychologin Rita Freedmann hat herausgefunden: Es beginnt schon unmittelbar nach der Geburt. Mütter reagierten stärker und häufiger auf ihre Babys, wenn diese hübsch sind. Sie liebkosten und küssten sie häufiger. Kurz: hübsche Babys erhalten mehr Zuwendung, was ihr Wohlbefinden steigert. Bemerkenswert ist, dass aber auch schon die Babys hübsche Gesichter lieber betrachten als hässliche. Unabhängig vom Erscheinungsbild der Mutter schauen Säuglinge - egal ob europäischer, afroamerikanischer oder lateinamerikanischer Herkunft - attraktivere Gesichter länger an.

"Die Ergebnisse sind eindeutig", bestätigt auch der Psychologe Martin Gründl von der Uni Regensburg. Es gebe in hohem Maße einen gesellschaftlichen Konsens darüber, welcher Körperbau und welche Gesichter als schön empfunden werden. So ergab seine Forschung als wesentliche Attraktivitätskriterien für Frauenfiguren lange Beine, ein mindestens mittelgroßer Busen sowie eine schmale Taille, "wobei aber auch die Proportionen wichtig sind". Volle Lippen, große Augen, eine zierliche Nase und eine hohe Stirnpartie gelten als wichtige Charakteristika für ein "schönes, weibliches Gesicht", sagt Gründl.

Schöne Menschen gleich bessere Menschen?

Nun schließen Menschen in der Regel automatisch von äußeren Attributen auf innere Persönlichkeitsmerkmale, wie Experimente gezeigt haben. "Das geschieht unbewusst", sagt der Psychologe. Schöne Menschen profitieren von positiven Vorurteilen: Sie werden im ersten Moment für sozial kompetenter, erfolgreicher, intelligenter, sympathischer, selbstsicherer, kreativer, geselliger, fleißiger, zufriedener und leidenschaftlicher gehalten.

Rita Freedmann, die viele psychologische Studien zusammengestellt hat, kommt zu dem Schluss, dass sich der "Zauber der Schönheit" durch das ganze Leben zieht: Kindergartenkinder suchen beim Spiel vor allem die Nähe attraktiver Kameraden, denn sie halten sie für klüger, freundlicher und selbstständiger. Hübsche Schülerinnen und Schüler bekommen mehr Aufmerksamkeit von Lehrern und werden trotz gleicher Leistungen besser bewertet als weniger attraktive Mitschüler. Auch bei der Partnersuche gilt, dass schöne Frauen meist früher heiraten als ihre durchschnittlich aussehenden Schwestern.

Auch im Job haben die Attraktiven Vorteile: "Wenn behauptet wird, dass die Bilder bei Bewerbungsunterlagen keine Rolle spielen, halte ich das für eine Lüge", sagt Jutta Boenig, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung. Dennoch betont sie, dass im Vorstellungsgespräch vor allem das Auftreten eines Bewerbers, seine Körpersprache und die Ausstrahlung entscheidend seien.