Psychologen haben herausgefunden: wenn es draußen kalt ist, nehmen wir den Klimawandel viel weniger wahr als bei Hitze. Aber welche Erklärung gibt es dafür?

Stuttgart - Vom US-Politologen Roger Pielke jr. stammt die Geschichte, dass vor einer Kongressanhörung im heißen Sommer 1988 die Klimaanlage ausgeschaltet wurde. Es ging damals um den Klimawandel, und man wollte wohl auf diese Weise den Statistiken und Schaubildern mehr Überzeugungskraft verleihen. Die Psychologin Lisa Zaval von der Columbia-Universität in New York zitiert diesen Fall und bestätigt: Menschen lassen sich tatsächlich durch die gefühlte Temperatur beeinflussen.

 

Zaval und ihre Kollegen bieten sogar eine Erklärung für diesen Effekt an. Zuvor räumen die Forscher aber mit einer anderen Theorie auf: Es helfe nichts, Menschen zu belehren, dass Wetter und Witterung noch keinen Trend ausmachen – dass ein kalter Winter noch nicht den Klimawandel widerlegt. Auch wenn sie ihren US-amerikanischen Versuchspersonen entsprechende Texte präsentierten, waren weiterhin an überdurchschnittlich warmen Tagen mehr von ihnen von der Gefahr der Erderwärmung überzeugt als an überdurchschnittlich kalten. Viele Menschen hätten keine stabile Meinung zum Klimawandel, sondern würden sie sich jedes Mal neu bilden, wenn sie danach gefragt werden, schreiben Zaval und ihre Kollegen im Fachjournal „Nature Climate Change“. Dieser Effekt ist auch von anderen Forscherteams nachgewiesen worden.

Um den Effekt zu erklären, greifen die Psychologen nun auf eine alte Beobachtung zurück, die der Nobelpreisträger Daniel Kahneman in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ beschreibt: Das Gehirn neigt dazu, schwierige Fragen zu vereinfachen. Wer gefragt wird, wie zufrieden er mit seinem Leben sei, ändert die Frage im Kopf ab zu: Wie zufrieden bin ich jetzt gerade? Lisa Zaval argumentiert ähnlich: Wenn es darum geht, ob die Temperatur auf lange Sicht steigt, fragen sich viele Menschen als Erstes, ob es jetzt gerade wärmer ist als sonst. Der Eindruck vom aktuellen Wetter bildet dann die Grundlage für die Überlegung zum Klimawandel. Als Beleg dient den Psychologen eine weitere Statistik: An ungewöhnlich warmen Tagen halten ihre Probanden ungewöhnlich warme Tage insgesamt für häufiger. Es bedarf einiger Anstrengung, um sich von dieser mentalen Automatik zu lösen.