Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus? Stuttgarter Forscher des Fraunhofer-Instituts haben das Arbeiten im Büro der Zukunft untersucht.

Stuttgart - Flexiblere Arbeitszeiten und -plätze, individuelleres Arbeiten: wie wirkt sich das auf den Menschen aus? Fraunhofer-Forscher haben den Arbeitsplatz der Zukunft untersucht.

 

Heute am Fenster arbeiten statt neben der Kaffeeküche, lieber im dritten Stock oder doch zuhause – Arbeiten wird in Zukunft individueller sein. „Wir glauben, dass es immer mehr flexible Arbeitsplätze in Unternehmen geben wird“, sagt Stefan Rief vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart. Er hat im Projekt „Office 21“ untersucht, wie der Job der Zukunft aussieht.

In einigen Firmen, wie etwa dem Automobilclub ADAC ist die neue Arbeitswelt schon Realität. Das Fraunhofer-Institut hat mit dem ADAC zusammengearbeitet, um dessen neues Bürogebäude zu gestalten. In der Münchner Firmenzentrale holen die Angestellten jeden Tag einen Rollcontainer mit ihrem Laptop, Unterlagen und eigenem Telefonhörer. Dann suchen sie sich jeden Morgen einen neuen Platz. „Je nach Projekt können sich die Mitarbeiter unterschiedlich aufteilen“, sagt der Unternehmenssprecher Roman Breindl.

Passen die Plätze zum Mitarbeiter?

„Mitarbeiter wechseln zunehmend zwischen den Abteilungen und den Projekten hin und her“, erklärt Rief die neue Schreibtischkultur. Firmen werden bald ihre Mitarbeiter flexibel einsetzen, so der Wissenschaftler. „Unternehmen müssen eben auf verschiedene Auslastungsgrade reagieren“, sagt Rief. Da sei es doch nur schlüssig, dass auch die Büros flexibel gestaltet werden.

Ob aber die Arbeitsplätze in Großraumbüros zu den Mitarbeitern passen, bezweifelt Jürgen Glaser, Professor an der Universität Innsbruck. „Das führt oft dazu, dass die Leute früher zur Arbeit kommen, weil sie am gleichen Platz sitzen wollen“, sagt der Arbeitspsychologe. „Territorialität ist für Menschen auch im Unternehmen wichtig.“ Sie möchten ihren eigenen Platz mit Pflanzen, Familienfotos und dem Lieblingstacker. „Menschen wollen sich im Unternehmen wohl fühlen“, erläutert er. Ständig woanders zu arbeiten fällt ihnen schwer. Das musste der ADAC auch feststellen. „Die Leute neigen schon dazu, an den gleichen Plätzen zu sitzen“, gibt Breindl ein Jahr nach der Einführung der neuen Arbeitsbedingungen zu. „ Menschen folgen eben gerne ihren Gewohnheiten.“

Selbstorganisation schafft Probleme

Dabei müssen Mitarbeiter künftig sogar noch flexibler sein: „Es ist zum Teil schon üblich, dass jemand während mehrerer Wochen von unterschiedlichen Orten aus arbeitet“, sagt Rief. Auch Telearbeit, also das Büro zuhause, wird verstärkt genutzt. Für die Verbindung von Kind und Karriere kann das durchaus praktisch sein. „Wir haben beobachtet, dass sich viele Arbeitnehmer wünschen, ihre Zeit selbst einteilen zu können“, sagt Rief. Aber auch da gibt es Bedenken: „Soziale Unterstützung ist eine Ressource“, sagt Arbeitspsychologe Glaser. „Bedürfnisse nach Anerkennung und Zugehörigkeit sind tief im Menschen angelegt.“ Und die fehlen logischerweise, wenn man oft von Zuhause aus arbeitet.

Nicht nur mangelnder Anschluss kann Mitarbeitern künftig Probleme bereiten, auch die zunehmende Selbstorganisation ist für einige kaum zu schaffen. „Wenn ein Mensch mit der Selbstbestimmung nicht zurechtkommt, hat diese Form des flexiblen Arbeitens eben auch negative Seiten“, sagt Psychologe Glaser. Diese Mitarbeiter können überfordert sein, gereizt auf andere regiere und bisweilen emotional irritiert sein. Sie leiden unter Versagensgefühlen, Zeitdruck und Konflikten mit Kollegen und Vorgesetzten.

Der Körper reagiert auf den Stress: „Oft sind Rückenprobleme die Folge, bei machen auch Magenprobleme“, sagt Glaser. Auch arbeitsbedingte Depressionen und koronare Herzerkrankungen können auftreten, wenn Menschen mit all der geforderten Flexibilität überfordert sind. Glaser sieht, anders als das Fraunhofer-Institut, in den flexiblen Arbeitsplätzen in Großraumbüros noch kein psychologisch erfolgreiches Trendmodell.

Die neue Schreibtischkultur

Das betrifft auch ein weiteres Szenario des Fraunhofer-Instituts: „Die virtuelle Projektarbeit wird zunehmen“, erklärt Rief. Teams auf der ganzen Welt arbeiten über Videokonferenz und E-Mail zusammen. Praktisch, aber: „Warum fliegen denn Delegationen um die halbe Welt? Weil der persönliche Kontakt sehr viel ausmacht“, sagt Glaser. „Vertrauen entsteht über direkten Kontakt.“ Virtuelle Kommunikation, per E-Mail und sogar Videokonferenz, sei schlecht geeignet, Vertrauen zwischen Mitarbeitern herzustellen. Zudem gingen zu viele Informationen der non-verbalen Kommunikation über die virtuellen Medien verloren. Und darunter leidet vor allem das Zwischenmenschliche.

Zunehmende Eigenverantwortung und Flexibilität, das klingt nach „Burn-Out“ oder dem, was Psychologe Glaser „Entgrenzung der Arbeit“ nennt: Die Lebensbereiche Arbeit und Privates verschwimmen zusehends. Doch da hat das Fraunhofer-Institut einen anderen Trend ausgemacht. Bald wird die gelebte Work-Life-Balance besser ausfallen, glauben die Wissenschaftler. Das Leben besteht in der Zukunft nicht nur aus Arbeit; und wer sich Freizeit bewahrt, wird davon gleich doppelt profitieren: „Das wird bald zu einem Statussymbol werden“, sagt Stefan Rief. Mitarbeiter werden irgendwann einfach das Smartphone abschalten und ihre Freizeit genießen. Die neue Arbeitswelt, wenn sie denn so kommt, erscheint doch ganz passabel.