Politik ist persönlich: Eine neue Studie aus Kanada zeigt, dass sich politische Nachrichten negativ auf unsere psychische Gesundheit auswirken können. Wer Nachrichten aber stattdessen vermeidet, tut sich auch keinen Gefallen.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Wer täglich die politischen Nachrichten verfolgt, der ist mit viel Negativem konfrontiert: Corona, Klimazerstörung, Kriege. Der Stress, der durch die tägliche Verfolgung von Nachrichten entsteht, kann sich negativ auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen auswirken. Zu dem Ergebnis kommt eine aktuelle kanadische Studie, die im „Journal of Personality and Social Psychology“ erschienen ist. Interessant ist dabei: Auch der Verzicht darauf hat Auswirkungen auf uns. Wegschauen ist also keine Lösung.

 

Es gibt Strategien, die den Menschen helfen können, mit diesen negativen Emotionen umzugehen – wie zum Beispiel sich von den politischen Nachrichten abzulenken –, aber dieselben Strategien verringern auch den Drang der Menschen, sich für politische Anliegen einzusetzen, die ihnen am Herzen liegen.

„Wenn es um Politik geht, kann es einen Zielkonflikt zwischen Wohlbefinden und Engagement geben“, sagte die Sozialpsychologin Brett Q. Ford, Assistenzprofessorin für Psychologie an der Universität von Toronto. „Sich vor dem Stress der Politik zu schützen kann das psychische Wohlbefinden fördern, aber es hat auch seinen Preis.“

Frühere Forschungen und Umfragedaten haben ergeben, dass Politik ein großer Stressfaktor im Leben der Menschen sein kann, so die Forscher. Ford und ihre Kollegen haben nun eine politisch heterogene Stichprobe von 198 US-Amerikanern durchgeführt. Zwei Wochen lang sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeden Abend eine Reihe von Fragen über das politische Ereignis beantworten, an das sie an diesem Tag am meisten dachten sowie über die dabei empfundenen Emotionen und wie sie mit diesen Emotionen umgingen. Zusätzlich wurden die Probanden befragt, wie ihr allgemeines psychisches und physisches Wohlbefinden an diesem Tag gewesen sei, und darüber, ob sie sich motiviert fühlten, sich für eine Sache politisch zu engagieren.

Insgesamt stellten die Forscher fest, dass der Gedanke an tagespolitische Ereignisse mit negativen Emotionen bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern korrelierte. Diejenigen, die starke negative Emotionen dabei erlebten, berichteten durchschnittlich über eine schlechtere psychische und physische Gesundheit im Alltag. Aber sie gaben auch an, stärker motiviert zu sein, sich für politische Belange zu engagieren. Manche dachten an eine ehrenamtliche Tätigkeit, andere wollten Geld für eine politische Kampagne spenden.

Wie haben die Teilnehmer die negativen Nachrichten bewältigt?

In der Umfrage wurden die Teilnehmer nach verschiedenen Strategien gefragt, die sie zur Bewältigung ihrer negativen Emotionen eingesetzt hatten, darunter Ablenkung von den Nachrichten und oder zum Beispiel die Umdeutung ihrer Gedanken über ein Nachrichtenereignis, um es weniger negativ erscheinen zu lassen. Teilnehmer, die diese Strategien zur Bewältigung ihrer negativen Gefühle erfolgreich einsetzten, berichteten über ein besseres tägliches Wohlbefinden. Sie waren aber dann weniger motiviert, sich politisch aktiv einzubringen.

Anschließend wiederholten die Forscher diese Ergebnisse über einen Zeitraum von drei Wochen mit einer größeren Gruppe von 811 Teilnehmern aus dem ganzen politischen Spektrum der USA. In einer dritten Untersuchung baten die Forscher die Probanden, sich politische Nachrichtenclips aus den am höchsten bewerteten liberalen und konservativen Nachrichtensendungen anzusehen. In diesen Experimenten sahen die Teilnehmer entweder einen Clip aus der „Rachel Maddow Show“ (für liberale Teilnehmer) oder „Tucker Carlson Tonight“ (für konservative Teilnehmer) – beides amerikanische Polit-Sendungen. Eine Kontrollgruppe bekam einen neutralen Clip darüber zu sehen, wie man eine Terrassenmauer baut.

Politik macht schlechtere Laune

In einem ersten Experiment stellten die Forscher fest, dass die Teilnehmer, die den politischen Clip sahen, mehr negative Emotionen empfanden als die Teilnehmer, die einen neutralen, unpolitischen Nachrichtenclip sahen, und eine größere Motivation angaben, sich freiwillig für politische Zwecke zu engagieren oder andere politische Maßnahmen zu ergreifen. Dieser Effekt galt für Teilnehmer aller politischen Parteien.

Das Fazit der Studienautoren: „Die moderne Politik – ihre täglichen Kontroversen, Grobheiten und Unfähigkeiten – stellt eine regelmäßige emotionale Belastung für die Bürger dar“, so der Sozialpsychologe und Assistenzprofessor Matthew Feinberg. „Wir arbeiten an der Entwicklung von Strategien, mit denen Menschen ihr eigenes Wohlbefinden schützen können, ohne dass dies mit Kosten für das breitere Kollektiv verbunden ist“, ergänzt Ford.

Zu einem ähnlichen Ergebnis, nämlich dass Menschen sich aus der Politik zurückziehen, wenn politische Nachrichten sie zu sehr belasten, kam das Reuters Institute an der Universität Oxford Anfang dieses Jahres. Laut der Studie ignorieren viele Menschen beunruhigende Nachrichten über die Coronapandemie, den Ukraine-Krieg oder die drohende Wirtschaftskrise. Rund ein Drittel der Befragten gab dort an, dass zum Beispiel Nachrichten über den Ukraine-Krieg ihnen zu sehr aufs Gemüt schlagen – weshalb sie diese lieber ignorieren.