Der ehemalige Sex-Pistols-Frontmann Johnny Rotten hat beim Ludwigsburger Konzert seiner Band Public Image Ltd einen Fan von der Bühne aus verdroschen. Wahrer Punk findet indes vor der Tür statt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Ludwigsburg - Gegen Ende des anderthalbstündigen Konzerts der britischen Band Public Image Ltd (kurz PIL) in der Rockfabrik Ludwigsburg am Mittwoch weicht der „last man standing of 1978 Punk“ grazil einem anfliegenden, halb vollen Bierbecher aus. Davor hat Johnny Rotten, einst Frontmann der Punkband Sex Pistols, bereits einem Besucher von der Bühne herab den Mikroständer ins Gesicht gedroschen, die Kladde mit den Songtexten zugeschlagen und samt Band die Bühne verlassen. Angeblich, weil ihn der Besucher angespuckt hatte.

 

Es sagt viel über den Zustand von Punk aus, dass Rotten, laut Ludwigsburger Selbstbeschreibung der letzte Überlebende der ersten Punkwelle, sich vor heranfliegenden Bierbechern ekelt: „Wenn du deinen Drink nicht leer trinken kannst, dann verlass das verdammte Gebäude“, ruft er dem Bierwerfer zu. Seine eigenen Körperflüssigkeiten verteilt Rotten während des Konzerts überaus großzügig auf der Bühne.

So viel zu den Aufregern des Abends. Eintrittspreise um die vierzig Euro sind zwar nicht Punk. Das macht aber nichts, PIL ist ja auch keine Punkband, sondern eine, die seit den frühen Achtzigern das Grenzgebiet zwischen der Gitarrenmusik Punk und elektronischer Tanzmusik auslotet. Rotten, der mit gewohnt irrem Blick und wild gestikulierend seine Texte bellt, steht auf der Bühne im Mittelpunkt. Musikalisch brilliert eher seine Band: Scott Firth am Bass und Bruce Smith am Schlagzeug erzeugen jenen monoton-hypnotischen Flow, den man auch vom Techno kennt. Eigentlich sollten PIL genau wie Techno-DJs zwischen den Songs gar keine Pause machen; jedenfalls erinnert der erste, längere Teil des Konzerts daran, dass für kurze Zeit in den Achtzigern Punk und Techno in denselben Kellern gespielt wurden. Das fantastisch produzierte neue PIL-Album „What the World Needs Now“ knüpft an diesen musikalischen Crossover nahtlos an – und an den Sound neuer Bands wie Sleaford Mods, die PIL beeinflusst hat.

Echter Punk ist nach dem Konzert, über den Parkplatz

Nach der Mikroständer-Attacke kehren Johnny Rotten und seine Band für einige Klassiker auf die Bühne zurück. Die Wut in Rottens Stimme verleiht den Zugaben frische Energie. Außerdem kommt der wunderbar kauzige, zuvor von der Rhythmusgruppe übertönte Gitarrist Lu Edmonds mit seinem reduziert-virtuosen Gitarrenspiel und den eleganten wie bissigen Post-Punk-Referenzsounds zu seinem Recht.

Wahrer Punk ist an diesem Abend indes vor der Tür, quer über den Parkplatz: Die für ihre Guerilla-Gigs bekannte Crossover-Band Shoshin hat sich vor Porsche Design aufgebaut. Das gibt schöne Bilder, und dieser musikalisch überzeugende Auftritt fühlt sich so rau an, wie sich vor bald vierzig Jahren die Konzerte der Sex Pistols angefühlt haben müssen. Vielleicht versöhnt das Johnny Rotten ja mit Ludwigsburg.