Public Viewing? Finde ich super. Bei welcher anderen Gelegenheit treffen sich so viele Menschen unterschiedlicher Herkunft, um zusammen zu feiern? Ob Unternehmensberater, Hausmeister oder Krankenschwester, ob Schulkind oder Rentner – Leute aus allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen versammeln sich vor der Leinwand und fiebern mit. Fußballglotzen in der großen Runde, das verbindet. Und etwas mehr Gemeinschaftsgefühl können wir wahrlich brauchen.

 

Lebhafte Diskussionen gehören ebenfalls zu einem Fußballabend – da schwätzen wildfremde Menschen plötzlich angeregt miteinander und das ist gut so. Public Viewing ist Schmiermittel für die Gesellschaft, in der sonst jeder nur noch auf das Display seines Smartphones starrt und seine Mitmenschen rundum gar nicht mehr wahrnimmt. Außerdem gibt es wohl kaum eine andere Gelegenheit, bei der so viele „Experten“ auf einem Fleck versammelt sind. Ganz nebenbei und anhand praktischer Beispiele lernt da selbst die größte Fußballniete Ruckzuck die Grundregeln dieses Sports.

Keine Frage: Public Viewing ist eine prima Sache. Dabei sein werde ich allerdings nicht. Denn der allergrößte Vorteil dieser Fernsehsessions in Gemeinschaft ist, dass fernab dieser Treffpunkte himmlische Ruhe und Leere herrscht. Der Wald gehört einem an diesen Fußballtagen fast ganz allein. Jogger und Radfahrer? Fehlanzeige. Die Autofahrt von A nach B dauert nur halb so lang wie sonst. Den Vierbeiner kann man an solchen Tagen unbesorgt ohne Leine im Park springen lassen, weil keiner da ist, der sich beschweren könnte. Im Supermarkt freuen sich die gelangweilte Käsefachverkäuferin und die Kassiererin wie Bolle über ein wenig Kundschaft und in der sonst ständig völlig überfüllten Kneipe um die Ecke herrscht plötzlich freie Platzwahl. Anpfiff an diesem Donnerstag, 17 Uhr – ich kann’s kaum noch erwarten. Annette Clauß