Nach dem Trauerakt für Helmut Kohl sieht sich die Bewegung Pulse of Europe darin bestärkt, dass die Vision des ehemaligen Bundeskanzlers von einem friedfertigen Europa konsequent verteidigt werden müsse. Vor der Bundestagswahl befragt sie die Parteien zu ihren Positionen.

Stuttgart - Es war die große Stunde Europas, als der verstorbene ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl in einem bisher einmaligen Akt im Europa-Parlament in Straßburg geehrt wurde. „Dieser Trauerakt wurde zur europäischen Geschichtsstunde“, nahm Annette Rueß von Pulse of Europe bei der 13. Versammlung der Bewegung am Sonntag auf dem Schlossplatz darauf Bezug. Kohls Vision, ein friedfertiges Europa zu schaffen, müsse stets verteidigt werden. Eine zweite, auch gerade verstorbene Europäerin, Simone Veil, habe Europa als zerbrechliches Gut bezeichnet. Daher hat die Bewegung vor der baldigen Bundestagswahl den Parteien den Puls gefühlt: mit einem offenen Brief und gezielten Fragen zu Europa.

 

„Welches sind die größten Herausforderungen von Europa?“, will die Bewegung von den Parteien wissen. Ist die EU zu bürokratisch, hat sie ein Demokratiedefizit? Welche Maßnahmen schlagen Sie vor? „Wir wollen wissen, wie sich die Parteien in Sachen Europa positionieren“, stellte Annette Rueß vor der immer größer werdenden Schar von Zuhörern klar. Die Antworten von CDU, CSU, SPD, den Grünen und der FDP waren ausgehängt und fanden großes Interesse. Generalsekretär Peter Tauber von der CDU lobt die Arbeit von Pulse of Europe. „Ein einfaches Weiterso kann es nicht geben“, schreibt die SPD, die stark die sozialen Aufgaben betont, das Schulmeistern kritisiert und höhere Investitionen fordert. Grüne und FDP sehen die Flüchtlingspolitik als größte Herausforderung. Von der AfD kam nichts.

Der Kampfgeist ist etwas ermattet

Der Pulsschlag hat sich verlangsamt. „2016, bei der Gründung von Pulse of Europe in Frankfurt, haben die Wahlen in den Niederlanden mit dem drohenden Rechtsruck und das Referendum in England die Frequenz von Herz- und Pulsschlag für Europa erhöht und die Menschen aktiviert“, so Annette Rueß. Der Brexit ist jetzt beschlossen, der Rechtsruck in den Niederlanden und Frankreich abgewendet. Das lasse offenbar den Kampfgeist etwas ermatten.

Für kämpferische Ermunterung sorgte Dirk Wentzel (53), Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls an der Hochschule Pforzheim, mit zehn guten Gründen, sich für Europa einzusetzen: „weil es ein Friedensprojekt ist, der größte und erfolgreichste Binnenmarkt, die Grundfreiheiten und die Währungsunion garantiert, der Jugend Chancen bietet, führend ist in Umweltstandards und im Kampf gegen Erderwärmung, die fundamentalen Menschenrechte in der Millenium Charta festschreibt und Rechtsstaatlichkeit sichert.“ Genügend Gründe für die Parole „Make Europe great again“.