Punkpionier Sylvain Sylvain Gitarrist der New York Dolls gestorben

Ganz so populär wie andere frühe Punkbands wurden die New York Dolls nie. Aber die Band, deren Gründungsmitglied Sylvain Sylvain im Alter von 69 Jahren gestorben ist, war besonders einflussreich.
Stuttgart - Es war ein mehr als seltsamer Text, der da hektisch vorgetragen wurde: „Müll, los, heb ihn auf, nimm das Licht da weg! Müll, los, heb ihn auf, schmeiß Dein Leben nicht weg!“ Ziemlich dringlich quäkte dieses „Trash“ betitelte Stück der New York Dolls, die sich nach einer Puppenklinik benannt hatten. Die lag nämlich gegenüber dem Klamottenladen, in dem der Gitarrist Sylvain Sylvain tagsüber jobbte. Weg mit dem Licht, aber nicht ins Dunkel der Selbstzerstörung stürzen: In den Songs der Punkpioniere wurde ein kaputtes Großstadtleben irgendwie wieder zusammengeflickt, aber nicht so, dass es proper aussah wie ein fabrikneues Püppchen im Ladenregal. „Frankenstein“ hieß passenderweise ein weiteres Lied der Debüt-LP von 1973.
Horror und Rotzigkeit
Seit zwei Jahren schrappten die New York Dolls beim Erscheinen ihres ersten Albums schon ihre Musik. Sylvains Freund und Bandmitgründer Billy Murcia war bei einer Mini-Großbritannien-Tour bereits in Folge einer Überdosis gestorben. Breiten Publikumserfolg errangen die Untergrundstars nie, aber ihr Sound und ihre aus Kleidersack und Schockwillen gemixten Outfits übten großen Einfluss auf viele andere Musiker aus: auf die Sex Pistols, Ramones, Smiths, Kiss und Guns ’n’ Roses etwa.
Der Sound der New York Dolls Sound war schlicht, rotzig, manchmal albern, aber immer wieder wurden auch Ernst und Horror spürbar. Sylvain war 1951 als Kind jüdischer Eltern in Kairo zur Welt gekommen, die Familie floh, siedelte sich in Paris an, zog weiter nach New York. Sylvain Sylvain brachte aus seinen jungen Jahren ausgewachsene Panik, achselzuckende Abgebrühtheit und einen Funken Hoffnung in die Musik, ein wilder Mix, der Subkultur in der Metropole gut auf den Punkt brachte. Im Alter von 69 Jahren ist er am 13. Januar 2021 gestorben, aber das unruhige New York der 70er, diese Stadt vieler Legenden, wird immer auch ein wenig nach ihm klingen.
„Trash“ mit den New York Dolls, 1973
Perfekt, virtuos, majestätisch, überwältigend, oft auch komplex orchestriert: so wollte der etablierte Rock Anfang der Siebziger sein. Dann kamen die New York Dolls und ein paar andere Bands daher und pfiffen auf alles Saubere, Präzise und Durchgetüftelte. Man kann sich nachträglich kaum vorstellen, wie frisch für die einen und abstoßend für die anderen das klang.
„Formidable“ mit den New York Dolls, 1981
Ein paar Jahre nach den ganz rotzigen Anfangszeiten konnte man sehen, wie die Wechselwirkungen hin und her gingen zwischen den Punkpöblern der ersten Stunde und jüngeren Bands, denen sie den Weg bereitet hatten. Bei „Formidable“ wird mancher eher an struppigere Zweige des Brit Pop als an die alten New York Dolls denken.
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