Verkehrssünder bekommen ihre Punkte nun nach einem neuen System. Die Umstellung stellt die größte Reform dar, die es in der 40-jährigen Geschichte des Flensburger Zentralregisters je gegeben hat. Experten kritisieren die Verschärfung.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart - Einfacher, gerechter und transparenter werde die neue Verkehrssünderdatei. So lautete das Versprechen des früheren Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer, als er die größte Reform startete, die es in der 40-jährigen Geschichte des Flensburger Zentralregisters je gegeben hat. Am 1. Mai tritt das Werk in Kraft. Im Folgenden geben wir Antworten auf die wichtigsten Fragen:

 

Wie läuft die Umstellung?

Vom Tag der Arbeit an bekommt die Flensburger Datei einen neuen Namen. Künftig heißt sie „Fahreignungsregister“, was zumindest ihren Zweck präziser beschreibt. Rund neun Millionen Verkehrssünder sind dort gespeichert. Ihre Konten müssen alle ins neue System übertragen werden.

Was sind die wichtigsten Änderungen?

Grundsätzlich soll es nur noch Punkte geben, wenn ein Delikt die Verkehrssicherheit gefährdet. Wer etwa mit seinem Auto unberechtigt in eine Umweltzone steuert, ohne Haftpflichtversicherung fährt oder das Kennzeichen verdeckt, erhält keinen Eintrag mehr. Außerdem wird die alte Staffelung zusammengestrichen. Bisher waren bis zu sieben Punkte für einen Verstoß möglich. Nun werden es maximal drei Punkte. Parallel sinkt aber die Schwelle für den Führerscheinverlust von früher 18 auf jetzt acht Punkte. Das bedeutet schon deshalb eine wesentliche Verschärfung, weil manche Delikte wie das Telefonieren mit dem Handy mit der gleichen Anzahl von Punkten sanktioniert werden wie zuvor.

Was wird aus den alten Punkten?

Der Kontostand wird sozusagen auf die neue Währung umgerechnet. Wer bis zu drei Punkte hatte, steht künftig lediglich mit einem da. Aus acht bis zehn Punkten werden vier und aus 16 bis 17 sieben Punkte. Das ist natürlich nicht gerecht. Denn, wer nur einmal mit dem Mobiltelefon erwischt wurde steht dann genauso da wie jemand, der dreimal diese „Sünde“ begangen hat. Konsequent erscheint dagegen, dass die alten Einträge gelöscht werden, für die es künftig keine Punkte mehr gibt. Da kann also der eine oder andere plötzlich wieder eine weiße Weste bekommen.

Wann verjähren die Verstöße?

Hier gibt es einen der wenigen echten Fortschritte. Bisher hatten sich die Fristen bis zum Löschen einzelner Delikte verlängert, wenn neue Einträge dazukamen. Nun gelten feste Zeiten für jeden einzelnen Eintrag. Ordnungswidrigkeiten – etwa ein Überschreiten des Tempolimits ohne Fahrverbot – verschwinden nach zweieinhalb Jahren vom Konto. Bei mittelschweren Verstößen dauert es bis zum Verfall der Punkte fünf Jahre. So lange muss jemand warten, der innerorts 31 Stundenkilometer zu schnell war oder eine Ampel ignorierte, die seit einer Sekunde Rot zeigt. Die drei Punkte, mit denen Straftaten geahndet werden, bei denen ein Führerscheinentzug fällig ist, bleiben zehn Jahre erhalten. Das gilt für bestimmte Trunkenheitsfahrten. Fachleute sagen, dass sich die Tilgungszeiten im Durchschnitt verlängern.

Ist der Führerschein schneller weg?

Tendenziell büßt ein Autofahrer seinen „Lappen“ schneller ein. Juristen hatten vergeblich vor dieser Verschärfung gewarnt. Sie befürchteten, dass besonders Berufskraftfahrer die Leidtragenden der Neuerung sein könnten.

Wie werden Punkte abgebaut?

Die Möglichkeit, sich mit Seminaren quasi einen Rabatt zu verdienen, wird eingeschränkt. Innerhalb von fünf Jahren und bei maximal fünf Punkten kann man nur noch einen einzigen Punkt abarbeiten. Dafür müssen Betroffene ein Fahreignungsseminar – mit Sitzungen bei einer Fahrschule und einem Verkehrspsychologen – absolvieren. Etwa 400 Euro kostet solch ein Unterricht. Ein derartiges Angebot reiche nicht, klagt zum Beispiel der Auto Club Europa. Die erzieherische Wirkung bleibe auf der Strecke. Dafür würden Fahrer möglichst rasch aus dem Verkehr gezogen, denn früher war mit verschiedenen Seminaren der Abbau von bis zu sechs Punkten möglich. Auch bemängelt der Club, dass Verkehrssünder lediglich schriftlich ermahnt (vier bis fünf Punkte) oder verwarnt (sechs bis sieben Punkte) würden, bis bei acht Punkten die Fahrerlaubnis automatisch weg sei. Zurück bekommt man sie nur nach einer medizinisch-psychologischen Untersuchung („Idiotentest).

Bleiben die Bußgelder?

Für zahlreiche Verstöße werden die Autofahrer nun stärker zur Kasse gebeten. Mehr kostet zum Beispiel das unberechtigte Einfahren in Umweltzonen (80 Euro), um hier den Wegfall der Bepunktung quasi auszugleichen. 60 Euro muss künftig zahlen, wer Kinder im Auto nicht richtig anschnallt, Ladung nicht ausreichend sichert oder im Tunnel wendet. Um 50 Prozent teurer (künftig 60 Euro) wird auch das Handy am Steuer oder ein Verstoß gegen die Winterreifenpflicht, was bisher nur mit 40 Euro zu Buche schlug. Die Erhöhung sei nötig, weil auch die Grenze für einen Punkteeintrag auf 60 Euro steige, sagt der Gesetzgeber. Durch einen Bezug zur Tat ist die Verschärfung damit kaum legitimiert, meint der ACE. Dies sei womöglich sogar verfassungsrechtlich bedenklich.