Die Musikgruppe Pur polarisiert – und hat eine große, textsichere Fangemeinde. Wie unser Redakteur das Konzert in Aspach erlebt hat und wer dort einen Überraschungsauftritt hatte, lesen Sie hier.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Aspach - Der Eintritt kostet den Verstand“, singt Hartmut Engler. Die Zeile aus „Abenteuerland“ stimmt in diesem Fall nicht ganz – 52,90 Euro aufwärts haben die Fans bezahlt, um Pur in der Mechatronik-Arena in Aspach (Rems-Murr-Kreis) spielen zu sehen. Eine ganz so große Völkerwanderung wie Andrea Berg, die in der kommenden Woche hier auftritt, löst die „älteste Schülerband Deutschlands“ zwar nicht aus. Aber ungefähr zehntausend Besucher sind es, die für die Bietigheimer Band in den Fautenhau pilgern. Viele von ihnen sind Pur seit Jahren treu und extrem textsicher.

 

Neulich, erzählt der Frontmann Engler der Menge in der Arena, habe der Bassist Joe Crawford sein 40-Jähriges in der Band gefeiert und deshalb zur Probe selbst gemachten Rhabarberkuchen mitgebracht. Rhabarberkuchen. Ein bisschen verhält es sich mit der Musikgruppe wie mit diesem Gebäck: Von vielen geliebt, von manchen gehasst, dazwischen gibt es nicht viel. Die Zeitung „Die Welt“ hat Englers Ansagen einmal bescheinigt, sie seien „an Banalität nicht zu übertreffen“.

Trotz durchwachsener Kritiken: Pur sind seit Jahren erfolgreich

Trotz solcher Kritik: Engler und seine Jungs haben den deutschsprachigen Pop wesentlich mitgeprägt. Mehrfach konnten sie Preise wie den Bambi, den Echo oder die Goldene Kamera gewinnen. Engler bekam 2010 den Landesverdienstorden. Und Pur-Konzertkarten verkaufen sich gut. Auch heute noch, gut 40 Jahre nach den Anfängen als Coverband „Crusade“ in Bietigheim. Die Melodien der sieben Musiker bleiben im Kopf, und Engler findet sofort den Draht zum Publikum.

Das Rezept von Pur lässt sich schwer beschreiben. Die Musiker um den 57-jährigen Hartmut Engler mixen eine Handvoll Pop mit einer Prise Rock, etwas Schlager und ein bisschen erhobenem Zeigefinger. Aber eben auch mit einer ganzen Handvoll Echtheit: Wenn Engler seine Schwester Ute auf der Bühne begrüßt oder zum Lied „Anni“ von seiner verstorbenen Mutter erzählt, ist er ehrlich gerührt. Pur sind am Boden geblieben. Das Publikum spürt das und dankt es ihm.

Hartmut Engler bezieht Stellung gegen Fremdenhass

Engler ist Sohn heimatvertriebener Eltern. Einer der Gründe, warum Pur im Gegensatz zu anderen deutschen Unterhaltungsmusikern Stellung beziehen. Mal etwas ungelenk mit Ansagen wie „wenn man das Fremde kennenlernt, ist es nicht mehr fremd.“ Dann wieder gekonnt, etwa mit dem Song „Bis der Wind sich dreht“. Im langen schwarzen Ledermantel singt Engler: „Ich bin geduldig, allzeit bereit. Ich warte nur, bis sie wieder anbricht, meine Zeit.“ Das Lied gegen Fremdenhass ist inzwischen 30 Jahre alt. „Wir hatten gehofft, dass wir es irgendwann nicht mehr singen müssen“, sagt Engler. Und bekommt für sein Statement viel Beifall.

Einen ganz besonderen Gastauftritt gibt es etwa in der Mitte des ersten Sets: Hartmut Englers großer Bruder Peter, vor kurzem 70 Jahre alt geworden, darf auf die Bühne. Der pensionierte Lehrer hat die Klasse 8b der Waldorfschule Engelberg in Winterbach mitgebracht. Nachdem er sich bei der – nicht anwesenden – Greta Thunberg bedankt hat, legen die Waldis aus dem Rems-Murr-Kreis los: „Das Lied hätte es vor zehn Jahren beinahe auf die Pur-Bühne geschafft“, erzählt Peter Engler. Jetzt ist es so weit. „Schluss mit all den üblen Gasen, räumt ihn weg, den ganzen Schutt“, singen Schüler und Lehrer auf die Melodie der deutschen Nationalhymne.

Die größten Begeisterungsstürme löst natürlich eher die Band selbst aus. Bei „Ich lieb’ dich“ singt die ganze Arena, bei „Verboten schön“ ist bei vielen Besuchern Kuscheln angesagt. Gegen halb zwölf ist Schluss. Die beseelten Fans machen sich auf dem Heimweg und die Arena macht sich bereit für das nächste Abenteuer – das Andrea-Berg-Heimspiel am Freitag.