Präsident Putin hat nach den Anschlägen ohne Ankündigung die Stadt Wolgograd besucht. Den Drahtziehern der Attentate hatte er zuvor „völlige Vernichtung“ angedroht.

Präsident Putin hat nach den Anschlägen ohne Ankündigung die Stadt Wolgograd besucht. Den Drahtziehern der Attentate hatte er zuvor „völlige Vernichtung“ angedroht.

 

Wolgograd - Trauer und Trotz sprechen aus den Worten von Wladimir Putin, als er nach den Anschlägen in Wolgograd überraschend am Neujahrstag die südrussische „Heldenstadt“ besucht. In schneidendem Ton bekräftigt der Kremlchef seine Kampfansage an die Drahtzieher der blutigen Attentate. Bis zu ihrer „völligen Vernichtung“ werde der Staat die Terroristen jagen, droht Putin.

An einem der Anschlagsorte legt der Präsident Blumen nieder, am Krankenbett tröstet er Schwerverletzte. Die Opfer geben sich im Staatsfernsehen unbeugsam. „Wir Wolgograder lassen uns nicht so einfach unterkriegen“, sagt eine ältere Frau zu Putin und erinnert an die blutige Schlacht in der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Gut 70 Jahre später sei das damalige Stalingrad wieder eine „Frontstadt“, schreibt die Zeitung „Kommersant“. „Diesmal im Krieg gegen den Terror.“

Russlands starker Mann dürfte sich zu Jahresbeginn andere Bilder gewünscht haben: eine Skifahrt in Sotschi etwa, zur Einstimmung auf die Olympischen Winterspiele in nur fünf Wochen in dem russischen Schwarzmeer-Kurort. Stattdessen beherrscht der Bombenterror den Jahreswechsel. Viele Städte im Riesenreich erhöhten drastisch die Sicherheitsvorkehrungen oder sagten Silvesterfeiern gleich ganz ab.

Putin muss Neujahrsansprache ändern

Einmalig ist auch, dass der Ex-Geheimdienstchef Putin, der als Meister der Selbstinszenierung gilt, seine Neujahrsansprache ändern muss. Vor Tagen hat er im Moskauer Kreml-Garten einen TV-Clip aufzeichnen lassen, in dem er für 2014 Optimismus verbreitet und für die Winterspiele wirbt. Doch nach den Anschlägen mit mindestens 34 Toten und 72 Verletzten bleibt der Spot ungesendet. „Das war eine Premiere“, sagt auch Kremlsprecher Dmitri Peskow. Eilig nimmt Putin eine neue Rede auf, in dem er sichere Spiele in Sotschi verspricht.

Die Wettkämpfe gelten als Hauptziel der Anschläge, die sich zu Wochenbeginn im Bahnhof und in einem Bus in Wolgograd ereigneten. Islamisten aus dem Konfliktgebiet Nordkaukasus haben gedroht, die Spiele zu stören. Das Ringespektakel gilt als ein Prestigeprojekt Putins. Wolgograd liegt etwa 700 Kilometer von Sotschi entfernt.

Etwa 50 000 Sicherheitskräfte will der Kreml in der Olympia-Region zusammenziehen - rund doppelt so viel wie 2012 bei den Spielen in London. Kriegsschiffe sollen vor der Schwarzmeerküste kreuzen, Drohnen die Luft überwachen und mehr als 1400 Videokameras allein in Sotschi jeden Winkel ausleuchten. Zudem werden Telefon- und Internetverkehr gefiltert und Gäste der Spiele erstmals mit einem speziellen Zuschauerpass ausgestattet. „Dadurch wird jeder Besucher genau identifiziert“, sagt der Chef von Russlands Olympia-Komitee, Alexander Schukow. Kritiker beklagen eine „Totalüberwachung“.

Doch der Kreml hält die Vorwürfe für völlig unberechtigt. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hätten die USA fünf Monate später ihre Olympischen Winterspiele in Salt Lake City genauso gesichert, sagt Putins Berater Juri Uschakow. Das Weiße Haus habe Hubschrauber mit Wärmebildkameras, Sprengstoff-Roboter, Scharfschützen und mehrere Sperrgürtel aus Maschendrahtzaun eingesetzt. „Damals fanden das alle normal - nur in Sotschi sollen plötzlich solche Anti-Terror-Maßnahmen übertrieben sein“, klagt er.

Kritik aus Deutschland können einige der russischen Staatsmedien besonders schwer nachvollziehen. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München seien doch bei einer Geiselnahme elf israelische Sportler, ein Polizist und fünf palästinensische Terroristen getötet worden, erinnert die Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“. Die Deutschen sollten dieses unermessliche Leid nicht vergessen.