Mitglieder der royalen Familie sind angehalten, in politischen Angelegenheiten vornehm zu schweigen. Prinz Charles fällt das nicht immer leicht - wie der jüngste Zwischenfall in Kanada zeigt.

Mitglieder der royalen Familie sind angehalten, in politischen Angelegenheiten vornehm zu schweigen. Prinz Charles fällt das nicht immer leicht - wie der jüngste Zwischenfall in Kanada zeigt.

 

London - Prinz Charles ist dafür bekannt, dass er gerne mit seinen Pflanzen redet - hätte er es doch bloß diesmal auch getan. Während seines Kanada-Besuchs sprach er in einem Migrationsmuseum in Halifax stattdessen mit der 78-jährigen Marienne Ferguson, die einst vor den Nazis aus Danzig nach Kanada geflohen war und einen Teil ihrer Familie während des Holocaust verloren hatte. Die ältere Dame gab der Presse brühwarm den Inhalt des Gesprächs weiter - und der hatte es in sich. Russlands Präsident Wladimir Putin verhalte sich nicht viel anders als seinerzeit Hitler, soll der Thronfolger gesagt haben.

Das Zitat brauchte nur Sekunden, um den Weg über den Großen Teich nach London zurückzulegen. Und dort stürzten sich erwartungsgemäß die Medien auf den Ausspruch. Clarence House, das Londoner Büro von Charles, musste hundertmal des gleiche sagen: „Kein Kommentar“. Das war auch gar nicht nötig. Das Kommentieren übernahmen andere. Sogar Rechtspopulist Nigel Farage meinte, dem Thronfolger gute Ratschläge geben zu müssen. Die Fernsehsender zerrten einen „Experten“ nach dem anderen vor die Kameras, um die Bedeutung des Gesagten interpretieren zu lassen.

Während sich Premierminister David Cameron zunächst bedeckt hielt, sprang sein Vize Nick Clegg dem 65 Jahre alten Charles zur Seite. Er gehöre nicht zu denen, die Meinungsäußerungen von Mitgliedern der königlichen Familie für ein No-Go halten, sagte er.

"Die Monarchie soll gesehen werden, aber nicht gehört"

Der Labour-Parlamentsabgeordnete Mike Gapes vertrat die völlig gegensätzliche Auffassung. Er empfahl dem Thronfolger, er möge abdanken und sich als Politiker zur Wahl stellen, wenn er sich politische Anmerkungen nicht verkneifen könne. „Die Monarchie soll gesehen werden, aber nicht gehört“, sagte er. Mit anderen Worten: Der künftige König soll in politischen Angelegenheiten gefälligst den Mund halten.

Der Ärger ist zumindest zum Teil verständlich. Großbritannien ist als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat in die internationalen Bemühungen zur Beilegung der Ukraine-Krise direkt eingebunden. Die Bemerkung von Charles dürfte den Diplomaten rund um die Downing Street durchaus Schluckbeschwerden gemacht haben.

In der Normandie treffen Charles und Putin aufeinander

Zumal Charles und seine Mutter, Queen Elizabeth II., schon in zwei Wochen dem russischen Präsidenten unter die Augen treten müssen. Dann wird in der Normandie des 70. Jahrestages der Landung der Alliierten gedacht - dessen, was die Briten als D-Day bezeichnen.

Die Debatte zeigt auch, dass sich die Briten auf eine neue Debatte zur Rolle ihres Königshauses einstellen dürfen. Charles hatte in der Vergangenheit immer wieder mit politischer Einmischung für Furore gesorgt. Die Tageszeitung „The Guardian“ klagt seit Jahren und inzwischen vor dem höchsten britischen Gericht auf die Herausgabe seiner berüchtigten und nach seiner Handschrift benannten „Black-Spider“-Briefe, in denen er Handlungsempfehlungen für Regierungsmitglieder gegeben haben soll. Allerdings ging es dabei bisher eher um Umweltthemen oder Architektur, nicht um komplizierte internationale Beziehungen.

Der künftige König nimmt damit eine völlig andere Haltung ein als seine Mutter, die im Alter von 88 Jahren immer mehr Aufgaben an ihren ältesten Sohn übertragt. Die Queen gilt geradezu als Musterbeispiel der politischen Neutralität. BBC-Königshausexperte Peter Hunt geht nicht davon aus, dass Charles gedenkt, ihr das gleichzutun. „Als Mitglied der Königsfamilie hat man die Möglichkeit Banalitäten zu murmeln oder etwas zu sagen. Charles hat seinen Weg gewählt, er sagt was er sagt“, konstatierte Hunt, der schon bei vielen königlichen Anlässen dabei war.