Die Säulenheiligen von SPD und CDU greifen in den Wahlkampf ein. Im Falle des Altkanzlers Helmut Kohl erweist sich das als zwiespältig.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Vielleicht ist es ein bisschen aus der Mode gekommen, ein Stoßgebet gen Himmel zu schicken, wenn die irdischen Probleme übermächtig zu werden drohen. Viele vermuten dort oben nur noch Asteroiden, Spionagesatelliten und Raumfahrtschrott. Und die meisten anderen wenden sich wohl eher fernöstlichen Meditationspraktiken zu. Doch im Wahlkampf haben die Nothelfer wieder Konjunktur.

 

Nur eingefleischte Katholiken (oder wie im Falle des Autors: in einer katholischen Gegend sozialisierte Zeitgenossen) werden auf Anhieb verstehen, was gemeint ist. Jenseits aller theologischen Grundsätze ist der katholisch geprägte Volksglauben nicht auf eine einzige heilige Instanz fixiert, er kennt viele Adressen, die in schwierigen Lebenslagen auf wundersame Weise Hilfe versprechen: neben der allerhöchsten Dreifaltigkeit eine unübersehbare Zahl von Märtyrern, Schutzpatronen, selig oder gar heilig gesprochenen Vorbildern – und nicht zuletzt den vierzehn Nothelfern, Von Sankt Achatius bis Sankt Vitus.

Säulenheilige als Wahlkampfpatrone

Von diesen Nothelfern soll hier aber gar nicht die Rede sein, sondern von drei höchst irdischen Kollegen. Damit sind wir wieder beim Wahlkampf. Die Kanzlerin muss ungeachtet ihrer Popularität auf den letzten Metern um eine Mehrheit bangen und insgeheim befürchten, dass die FDP mit ihrer penetranten Zweitstimmen-Kampagne der Union ein herausragendes Ergebnis verdirbt. Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kämpft mit allen Mitteln inklusive seiner Fingerfertigkeit um ein halbwegs vorzeigbares Resultat, auch wenn die Aussicht, doch noch Regierungschef zu werden, denkbar trist ist.

Beide Konkurrenten haben sich jetzt der Hilfe der jeweiligen Säulenheiligen ihrer Parteien versichert. Steinbrück darf im Boulevardblatt „Bild“ neben den beiden sozialdemokratischen Altkanzlern Helmut Schmidt (94) und Gerhard Schröder (69) posieren. Schmidt („Er kann es“) hatte Steinbrücks Karrieresprung ins Kandidatenamt durch ein gezieltes Lob einst enorm beschleunigt.

Kohl pflegt ein dialektisches Verhältnis zu Leihstimmen

Bei Kohl und Merkel sind die Verhältnisse komplizierter. Bisher gab es keine gemeinsamen Wahlkampfauftritte. Kohl hatte jedoch dem FDP-Spitzenduo Philipp Rösler und Rainer Brüderle eine Audienz im heimischen Garten gewährt – und damit Bilder geschaffen, welche die liberale Zweitstimmen-Reklame wunderbar illustrierten.

Zwischenzeitlich hatte der Einheitskanzler aber einen Auftritt in einem Wahlspot der Hamburger Unionisten und appelliert dort, „beide Kreuze bei der CDU“ zu machen. Als dies publik wurde, ließ er öffentlich dementieren, sich damit gegen Leihstimmen zu Gunsten der FDP ausgesprochen zu haben. Er wolle vor allem „die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition“. Kohls Büro verweist aber auf frühere Äußerungen des CDU-Patrons, wonach „jede Partei für sich kämpfen“ müsse. So richtig hilfreich ist das nicht. Und zwar für keine Seite.