Zu Zeiten des Altkanzlers war die CDU auf Wahlergebnisse über 40 Prozent abonniert. Er könnte wertvolle Ratschläge für den Wahlkampf geben. Die sind gefragt – aber nicht von der eigenen Partei.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Von Helmut Kohl können sich Wahlkämpfer durchaus wertvolle Ratschläge erwarten. Der CDU-Patriarch hat schließlich fünf Bundestagswahlen und zuvor schon vier Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz bestritten – und die meisten davon auch gewonnen. Unter Kohl war die Union noch auf Wahlergebnisse über 40 Prozent abonniert. Selbst bei seinem ersten erfolglosen Versuch als Kanzlerkandidat im Jahre 1976 schaffte er 48,6 Prozent.

 

Solche Werte hat „Kohls Mädchen“ Angela Merkel bisher nie erreicht. Dennoch legt sie in Wahlkampfzeiten offenbar keinen gesteigerten Wert auf die Expertise des Altkanzlers. Schließlich hat sie ihrer Partei am Ende der Ära Kohl ja auch nahegelegt, sie müsse sich von ihm emanzipieren: „Sie muss sich wie jemand in der Pubertät von zu Hause lösen, eigene Wege gehen“, schrieb sie damals.

Ratschläge, Pflaumen- und Blaubeerkuchen

Doch es gibt noch Politiker, die Kohls Wahlkampferfahrung zu schätzen wissen. Sie haben den Politveteranen in seinem Ludwigshafener Bungalow besucht und dort Pflaumen- und Blaubeerkuchen serviert bekommen. Ein Foto, aufgenommen vor einem Bruchstück der Berliner Mauer, das Kohl in seinem Garten aufstellen ließ, dokumentiert die denkwürdige Visite.

Die beiden Herren sind sichtlich stolz, mit dem Einheitskanzler parlieren zu dürfen. Sie gehören nicht etwa seiner eigenen Partei an, stehen ihm aber nicht fern. Schließlich verdanken sie einen Gutteil ihrer Karriere der Zusammenarbeit mit der Union. Die Rede ist vom FDP-Spitzenduo Rainer Brüderle und Philipp Rösler. Brüderle ist auch ein Landsmann Kohls und trifft sich mit ihm regelmäßig. Früher in dessen Berliner Büro, jetzt in Ludwigshafen.

Kohl lobt den liberalen Pfälzer wie selten einen Parteimann der eigenen politischen Couleur: „Ihre Auftritte im Wahlkampf gefallen mir sehr“, sagt er. „Dies gerade auch deshalb, weil sie immer wieder auch von den Werten reden, die unsere bürgerliche Politik immer ausgemacht haben und heute noch ausmachen.“ Sie seien sich einig gewesen, dass die bürgerliche Koalition in Berlin fortgesetzt werden müsse, erzählt Brüderle. Er will sich an Kohl ein Beispiel nehmen. Der habe es mit den Liberalen schließlich 16 Jahre lang ausgehalten. Brüderle (68) will noch eine Weile durchhalten. Er verweist bei solchen Gelegenheiten gerne auf seine Ahnen. Der Großvater habe bis 83 gearbeitet, sein Vater gar bis 86.