Quantum Gardens in Ehningen Quantensprung mit Hindernissen

Das Bürgerbegehren zu den Quantengärten wurde abgelehnt, die Diskussion darüber wird aber kaum verstummen. Foto: Hähnig Gemmeke

Das Ehninger Bürgerbegehren zu dem neuen Ortsteil ist am Ende, die Diskussion darüber noch lange nicht.

Böblingen: Jan-Philipp Schlecht (jps)

Es war verheißungsvoll, was die Abgesandten der Ozean Group und des Fraunhofer Instituts beim Ehninger Frühjahrsempfang von der Bühne der Turn- und Festhalle verkündeten. Am 23. April war das, als die Gemeinde ihren Jahresauftakt nachholte und gemeinsam mit prominenten Gästen Visionäres zu verkünden hatte. Den größten Teil seiner Rede widmete Bürgermeister Lukas Rosengrün (SPD) dem neuen Stadtquartier, das im Süden der Gemeinde entstehen soll: Quantum Gardens.

 

Rosengrün, der während der Hochphase der Coronapandemie ins Amt gestartet war, erkannte früh die großen Chancen, die der Umzug der IBM in den entstehenden Technology Campus barg. Und er wagte den ganz großen Wurf: Aus dem Gelände soll ein innovativer Wohn-Tech-Campus werden mit parkähnlichen Anlagen, Hochhäusern, Cafés und smarten Mobilitätsangeboten. Ein Hauch von Silicon Valley soll durch den neuen Ortsteil wehen, die direkte Nachbarschaft zum High-Tech-Riesen IBM ihr Übriges tun. Die Vision erntete viel Zustimmung.

Sie ist eingebettet in intensive Überlegungen von Verwaltung und Gemeinderat zu den zukünftigen Herausforderungen des Ortes, gegossen in ein Gemeindeentwicklungskonzept namens „Ehningen 2035“. Es ist 122 Seiten dick. Doch manch einer im Ortskern blickte mit Argwohn auf die großen Pläne, die der 9500-Einwohner-Ort hegte. Es dauerte nicht lange, und CDU-Gemeinderat Rainer Klein wurde zum Protagonisten einer Initiative, die die Ehninger Bürgerschaft an der Entscheidung für oder gegen die Quantum Gardens beteiligen wollte. Was im Sinne der Basisdemokratie bei einem Projekt dieser Größenordnung ein durchaus nachvollziehbarer Gedanke ist.

Wegweisende Beschlüsse im Gemeinderat

Die klare Schwäche des Ansinnens war allerdings, dass sie eine Entscheidung zur Debatte stellte, die im Prinzip schon gefallen war. Denn während man im Ort erst nach und nach realisierte, was da an der Hildrizhauser Straße tatsächlich entstehen soll, traf der Gemeinderat schon wegweisende Entscheidungen. Konkret: Beschlüsse zum städtebaulichen Entwurf im Juli und September dieses Jahres. Parallel formierte sich um CDU-Rat Klein eine Initiative, die 1178 Unterschriften sammelte, um einen Bürgerentscheid herbeizuführen. Doch der Gemeinderat wies das Begehren aus rechtlichen Gründen mehrheitlich zurück: Es sei zu spät eingereicht und irreführend formuliert. Ist die Diskussion um die Quantum Gardens damit beendet? Wohl kaum.

Denn viel entscheidender ist doch, was die Initiative antreibt. Da sind verunsicherte Ehningerinnen und Ehninger, die erst mal verdauen müssen, dass am Ortsrand in relativ kurzer Zeit eine riesige Siedlung entstehen soll mit all ihren Hausaufgaben für die bestehende Infrastruktur: Anbindung, Kinderbetreuung, Nahversorgung, Gesundheitsangebote. Da sind Stimmen innerhalb der CDU in Ehningen und darüber hinaus, die gerne weiterhin ein großes, zusammenhängendes Industriegebiet dort sähen, dass es so in der Region kaum noch mal gibt.

Ablehnung wird Diskussion anheizen

Diese Stimmen lassen sich gewiss nicht mit Formfehlern bei dem Bürgerbegehren abwimmeln. Die Ablehnung des Ansinnens wird die Diskussion anheizen. Und sie wird zu führen sein. Womöglich intensiver und mehr auf Augenhöhe als dies in den formal engen Bahnen von Gemeinderatssitzungen möglich ist. Die bestehenden Wege der demokratischen Willensbildung stoßen da an Grenzen. Auch Einspruchsmöglichkeiten im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens sind für viele nicht der erste Weg, Bedenken vorzubringen. Gemeinderat und Verwaltung täten also gut daran, die Sorgen in der Bevölkerung ernst zu nehmen, ihnen zu begegnen und sie im besten Falle auszuräumen.

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