Für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft beginnt der Sturm auf die Bastille – oder besser: das Stade de France in Paris – in ihrem Quartier in Evian-les-Bains. Der DFB-Tross logiert dort gewohnt nobel.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Bienvenu à Evian-les-Bains! Die deutschen EM-Kicker ziehen heute in ihr nobles Europameisterschafts-Hauptquartier am französischen Ufer des Genfer Sees ein – von hier aus soll der Sturm auf die Bastille (oder besser: in das Stade de France zum Finale am 10. Juli) beginnen. Der DFB ist bei der Auswahl des Quartiers wieder einmal eigene Wege gegangen. Wie schon das WM-Quartier Campo Bahia steht auch das Hotel, in dem der DFB während des Turniers gastiert, nicht auf der offiziellen Vorschlagsliste der Uefa. Womöglich ein gutes Omen.

 

Bundestrainer Joachim Löw und sein Team haben sich für das Evian Resort am Ufer des Genfer Sees entschieden, zur Anlage gehören das Fünf-Sterne-Hotel Royal Evian und das Vier-Sterne-Haus Hotel Ermitage. Etwa 8500 Einwohner hat die schnuckelige Gemeinde Evian-les-Bains, die Region ist besonders für die Heilkraft ihrer Quellen bekannt. Das bekannte Mineralwasser mit dem gleichen Namen hat die Stadt weltbekannt gemacht. Die Anlage verfügt über einen großen Wellness-Bereich mit Schwimmbädern, Fitnessstudios sowie einen eigenen 18-Loch-Golfplatz.

Löw darf nicht in seiner Suite rauchen

Das Zimmer, nein: die Suite, in der der Bundestrainer im dritten Stock logiert, kostet üblicherweise 990 Euro pro Nacht. Allerdings hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im „Ermitage“ Sonderkonditionen erhalten – so kostet die Suite für 34 Übernachtungen (sollte Deutschland ins Finale kommen) nicht die sonst fälligen 33.660 Euro. Im Flachbildschirm kann Joachim Löw aus rund 80 Sendern wählen, darunter acht reine Sportsender, allerdings fehlten bei der Buchung noch ARD und ZDF. Die Hotelleitung nahm seinerzeit den Hinweis dankbar auf, „wenn Monsieur Löw et le Mannschaft ihre Zimmer beziehen“, werde das Angebot ergänzt sein, versprechen sie.

Allerdings besitzt der Chefcoach keine Narrenfreiheit, da blieb das Management des Hotel „Ermitage“ hart wie Beton. Eine Zigarette auf dem Balkon zu rauchen, das ist Genussraucher Löw keinesfalls erlaubt. „Das ist bei uns verboten“, wird Generaldirektor Yannick Le Hec zitiert, „wir haben unten Terrassen. Er könnte dorthin gehen. Ich gehe davon aus, dass er die Regeln unseres Hauses respektiert.“ Wenn der 56-Jährige auf den Balkon geht, dann also nur, um den fantastischen Blick zu genießen, der sich ihm über den Genfer See und die umliegenden Gipfel der Westalpen bietet. Ein atemberaubendes Panorama.

Der Verband investiert viel in das Wohlbefinden seiner Nationalspieler. 1,6 Millionen Euro kostet das Quartier summa summarum für die gesamte Turnierdauer. Dafür stehen den Spielern nicht nur die üblichen Annehmlichkeiten des Hauses wie Kräutersauna, Pool und Shuttleservice zum Golfplatz zur Verfügung. Im Garten wurde außerdem eine Liegelandschaft aus Designer-Möbeln angelegt und im Inneren eine Players Lounge geschaffen, in der die Spieler Billard oder Flipper spielen können.

Wie waren die deutschen Kicker eigentlich 2012 untergebracht? Und wie 2008? Für alle, die das längst vergessen haben, geben wir ein wenig Nachhilfe.

2012: Fünf-Sterne-Hotel „Dwor Oliwski“ in Danzig

Während der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine logierte der DFB-Tross in Danzig im luxuriösen Fünf-Sterne-Hotel „Dwor Oliwski“. Acht Quartiere in allen acht Austragungsorten der EM hatte der Hotel-Beauftragte des DFB unter die Lupe genommen. „Als wir nach Danzig gekommen sind, war es Liebe auf den ersten Blick“, sagte damals Wolfgang Niersbach, der 2012 DFB-Generalsekretär war. Auch Löw war begeistert: „Danzig ist eine wunderschöne Stadt am Meer, mit einer wunderschönen Umgebung. Wir glauben, dass wir beste Voraussetzungen vorfinden.“

Offenbar liebt es der Bundestrainer, sein Quartier am Wasser aufzuschlagen. Damals hatten die Deutschen zumindest den Wettkampf um die Unterkunft gegen die Spanier gewonnen – neben dem späteren Europameister interessierten sich auch noch die Franzosen und Schweden für den „Olivenhof“, doch der DFB war am schnellsten und buchte.

2008: „Giardiono“ in Ascona

Der Geist des „Giardino“ in Ascona (Schweiz) und die Kraft des Monte Verità sollten Michael Ballack und Co. die Kraft verleihen, den Titel bei der EM in der Schweiz und Österreich zu gewinnen. Der Plan ging beinahe auf, erst im Finale wurde die Mannschaft gestoppt. Das „Giardiono“ in Ascona galt (und gilt) als eines der besten Ferienhotels der gesamten Schweiz, für den Zeitraum der EM verwandelte es sich in eine Jugendherberge für Fußballmillionäre. „Wir werden sicher einen ganz anderen Charakter entwickeln als in den übrigen Monaten des Jahres“, sagte Philippe Frutiger, Direktor der Nobelunterkunft damals: „Ich gehe davon aus, dass das Hotel den Charakter eines Schullagers bekommt.“

Eigens für Ballack und Kollegen wurden einige Umbauten vorgenommen. Wo die Enten im Garten freien Auslauf hatten, wurden ein paar Zelte und bequeme Liegesofas platziert, von denen aus die Fußballer nach ihrem Training den Goldfischen zuschauen konnten. Relaxen im Garten – eine Idee, die nun in Evian erneut umgesetzt wurde. Womöglich lag die Chance zur Zimmerflucht darin begründet, dass die vier Wände in gewöhnungsbedürftigen Rosatönen gehaltenen waren.

Für den Fall von Schlechtwetter wurden Konsolen für die Computerspiele in den Zimmern installiert. „Der DFB richtet in Zusammenarbeit mit uns den perfekten Aufenthaltsort für den Titelgewinn her“, sagte Frutiger, Chef von 80 Mitarbeitern im „Giardino“. Es hätte nicht viel gefehlt ....

2004: „Ria Park Garden Hotel“ in Almancil

Das mit den Golfplätzen in unmittelbarer Nähe scheint auch ein „Must“ zu sein. Bei der EM in Portugal logierten die Kicker von Teamchef Rudi Völler in Almancil vor den Toren von Faro im vornehmen „Ria Park Garden Hotel“ mit Blick auf die Algarve. Ob Hobbygolfer Oliver Kahn ein gewichtiges Wort bei der Wahl der Unterkunft mitgeredet hat, ist in Vergessenheit geraten – aber ganz in der Nähe des Hotels lag einer der schönsten Golfplätze der Welt.

Das bis zum Finale gebuchte Nobelhotel für die rund 50-köpfige DFB-Entourage kostete rund eine Million Euro. 75 Mitarbeiter kümmerten sich um das Wohl der deutschen Fußballer, in der Küche bereiteten sechs Köche unter Anweisung von DFB-Chefkoch Heinz Imhof das Essen der Auswahl zu. Der Mannschaft stand sogar ein kleines Stadion zur Verfügung, wo hin und wieder ein öffentliches Training abgehalten wurde. Ein Fitnessraum mit Sauna und Whirlpool war ebenso zur Erholung vorhanden wie eine großzügige Poollandschaft in dem parkähnlichen Außenbereich. „Das ist das beste Quartier, was man in Portugal bekommen kann“, erklärte der Hotelscout des DFB, der gemeinsam mit Rudi Völler die Vier-Sterne-Herberge ausgesucht hatte.

An dem noblen Quartier, in dem die deutsche Mannschaft alle 109 Zimmer gebucht hatte, waren auch die Engländer interessiert. Gebucht war bis zum Tag des Finales, doch der DFB packte schon nach der Vorrunde die Koffer. An der Qualität Unterkunft dürfte das blamable Abschneiden nicht gelegen haben.

2000: „Kaastel Vaalsbroek“ in Vaals

Die deutsche Nationalmannschaft sollte sich während der Euro 2000 in Belgien und den Niederlanden wie zu Hause fühlen – sie residierte im niederländischen Vaals, einer 11.000-Seelen-Ortschaft im Dreiländereck zwischen den Niederlanden, Belgien und Deutschland. Im „Kaastel Vaalsbroek“, einem 1761 erbauten Schlösschen, belegte der DFB 80 der 130 Zimmer des Vier-Sterne-Hauses. Sechs Mitarbeiter kümmerten sich im Service-Bereich ausschließlich um die prominenten Gäste, in der Küche sorgte eigenes Personal für einen ausgewogenen Speiseplan und natürlich war ein Koch des DFB-Teams mit von der Partie.

Kurz vor Turnierbeginn waren in der Nobel-Herberge fünf Kilometer hinter der deutsch-niederländischen Grenze bei Aachen noch Zimmer zu haben – der Hotelchef durfte an alle Leute vermieten, außer an Journalisten. Abgesehen davon war der DFB sehr sparsam mit Sonderwünschen. „Da war nichts Außergewöhnliches dabei“, betonte die Direktion des 16-Hektar-Komplexes im hügeligen Mergelland, der ansonsten wegen seiner beschaulichen Kulisse oft Schauplatz von Hochzeitsfeiern ist. Die Spielerfrauen waren übrigens im „Kasteel Bloemendal“ untergebracht, unweit von ihren Männern. Ob das der Grund war für die wohl schrecklichste EM, die Deutschlands Fußball-Fans je erleben mussten? Mit einem Punkt war nach der Vorrunde Schluss.

1996: Mottram Hall in Prestbury

Eigentlich müsste man nur alles so machen wie damals in England, als Deutschland der bislang letzte Titelgewinn geglückt war. Beim Turniersieg 1996 war es das klassisch-englische Hotel Mottram Hall in Prestbury (bei Manchester), das Oliver Bierhoff die nötige Entspannung für sein Golden Goal im Finale gegen Tschechien ermöglichte – selbstverständlich grenzte das Anwesen direkt an einen Golfplatz, schließlich stand auch schon damals Oliver Kahn im Aufgebot. Allerdings noch als Nummer zwei hinter Andy Köpke.

Das Essen wurde auch damals mitgebracht: 600 Kilogramm Lebensmittel, darunter Schokoladencreme, Nudeln, Brot, Gewürze, Kaugummis und Schokoladenwaffeln. Ob der DFB-Speisenbeauftragte wohl Schoko-Waffeln mit nach Evian-les-bains gebracht hat – Fußballer sind bekanntlich abergläubisch, und wenn etwas 1996 funktioniert hat, könnte es damit ja auch 20 Jahre später bei der Euro 2016 noch einmal funktionieren ...

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