Mit der Milieuschutzsatzung versucht der Stuttgarter Süden das Gebiet Heslacher Tal vor Spekulanten und Mietwucherern in Sicherheit zu bringen. Die durchschnittlichen Mieten dort liegen jetzt schon über dem Durchschnitt in der Gesamtstadt.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Stuttgart - Die Milieuschutzsatzung als kommunales Instrument gewinnt in Stuttgart an Bedeutung. In Berlin und München beispielsweise wird davon schon seit längerer Zeit weidlich Gebrauch gemacht, um der Gentrifizierung einzelner Viertel Einhalt zu gebieten. Ziel ist es, in einem Quartier die Mietpreise erschwinglich zu halten, indem Luxussanierungen unterbunden werden. Bei Sanierungen ist dann nur der Standard erlaubt. Der Anbau sehr großer Balkone, der Einbau von Aufzügen oder Videosprechanlagen indessen sind in geschützten Gebieten genehmigungspflichtig ebenso wie bauliche Veränderungen der Wohnfläche und -struktur. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Miet- oder um eine Eigentumswohnung handelt. Verstöße werden mit Ordnungsgeldern von bis zu 30 000 Euro geahndet. Um darüber hinaus auch spekulative Verkäufe zu verhindern, genießt die Stadt im fraglichen Gebiet ein allgemeines Vorkaufsrecht.

 

Die meisten wohnen zur Miete

In Stuttgart stehen im Norden bereits die Gegend am Nordbahnhof und – ganz neu – der Friedhofstraße unter Milieuschutz. Die Gebiete Seelberg in Bad Cannstatt und das Heslacher Tal im Süden wurden aktuell von externen Spezialisten untersucht (wir berichteten). Ob auch sie unter den Schirm schlüpfen dürfen, entscheidet der Gemeinderat in seiner Sitzung am 17. Dezember.

Seine Ergebnisse für den Stuttgarter Süden hat das beauftragte Büro Landesweite Planungsgesellschaft mbH (LPG) in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirates Süd präsentiert. Das fragliche Gebiet Heslacher Tal wird im Norden von der Böblinger Straße begrenzt, im Osten von der Adler-, Böheim-, Eier-, Dornhalden- und Karl-Kloß-Straße – inklusive der Wohnbebauung auf der Ostseite –, im Süden von der Kelterstraße und der Straße Im Lerchenrain – inklusive der Wohnbebauung auf der Südseite – und im Westen von der Müllerstraße. 5200 Haushalte wohnen hier, fast 80 Prozent davon zur Miete, berichtete Sören Drescher von der LPG. Die Hälfte der Eigentumswohnungen werde von den Besitzern selbst genutzt.

Die Experten des Berliner Planungsbüros haben in den zurückliegenden Monaten Daten des Statistischen Amts, des Baurechtsamts, des Stadtmessungsamts und des Sozialamts analysiert, sie haben beim Jugend- und beim Schulverwaltungsamt Informationen abgefragt, eine Haushaltsbefragung und eine Ortsbildanalyse durchgeführt und mit diversen Akteuren im Quartier gesprochen, um festzustellen: Ja, die angestammte Bewohnerschaft, das soziale Gefüge im Quartier ist bedroht. Die Netto-Kaltmiete liegt mit durchschnittlich 13,80 Euro pro Quadratmeter höher als in der Gesamtstadt, sagte Sören Drescher. Schon jetzt müssten viele Bewohner einen zu hohen Anteil ihres Einkommens für Miete ausgeben. Seit 2015 seien die Mieten im Heslacher Tal um 59 Prozent gestiegen.

Sanierungen treiben die Preise in die Höhe

Drescher kommt in seiner Voruntersuchung zu dem Schluss, dass eine Milieuschutzsatzung anzuraten sei. Ansonsten sei davon auszugehen, dass sich viele der Menschen das Quartier, in dem sie heute leben, bald nicht mehr werden leisten können. Die Preise würden weiter anziehen. Denn es bestehe Aufwertungsdruck und Aufwertungspotenzial, wie es im Fachjargon heißt. Gemeint ist, dass noch Luft nach oben ist – sowohl bei den Miet- und Kaufpreisen, als auch bei den Möglichkeiten, Wohnraum baulich aufzuwerten. Als innenstadtnahes Quartier mit einem hohen Bestand an sanierungsbedürftiger Altbausubstanz und einer funktionierenden Infrastruktur ist das Heslacher Tal ein gefragtes Wohnquartier. Ganz aufhalten kann eine Milieuschutzsatzung die Verteuerung nicht, bremst Sören Drescher die Erwartungen: „Aber in Berlin, wo wir schon länger Erfahrung haben, hat sich gezeigt, dass damit Verdrängungsprozesse verlangsamt werden.“

Dreschers Präsentation stieß im Bezirksbeirat überwiegend auf Zustimmung, warf aber Fragen auf. Ob sich etwa der Milieuschutz auf die Nachverdichtung auswirke. „Das Instrument wirkt nur beim Bestand, nicht bei Neubauten“, klärte Drescher auf. Kritik kam von Hans-Dieter Meißner von den Freien Wählern: Der Süden solle sich über die Beliebtheit des Quartiers freuen, anstatt „dirigistische Maßnahmen“ zu fordern. „Das ist eine Gängelung der Eigentümer, die die die verfehlte Wohnungspolitik kaschieren soll.“ Drescher suchte zu beschwichtigen: Es gehe nicht um kosmetische Maßnahmen, die Eigentümer in der eigenen Wohnung vornehmen, „sondern um große Maßnahmen, die auf die Miete schlagen“.