Korntal-Münchingen will fürs Neubaugebiet Korntal-West einen Quartiersmanager anstellen. Das Land übernimmt die Kosten – doch die große Begeisterung bleibt aus.

Sie haben alles gegeben. Eva Ludwig, die in Korntal-Münchingen fürs Thema Älterwerden zuständig ist, und Jörg Henschke, der Sachgebietsleiter unter anderem für Soziales. Um die Gemeinderäte von den Chancen zu überzeugen, die aus ihrer Sicht die Teilnahme am Modellprojekt „Ankommen in Korntal-West“ bringt. Letztlich stimmten die Räte mit knapper Mehrheit zu, für das Neubaugebiet eine Quartiersmanagerin oder einen Quartiersmanager in die Stadt zu holen.

 

Er oder sie, so die Idee, unterstützt Menschen, sich kennenzulernen und im Stadtteil nicht nur zu schlafen, sondern auch eine lebendige Nachbarschaft zu bilden. Er oder sie soll auch den Kontaktaufbau zu Initiativen, Vereinen und Kirchen fördern. Im Verwaltungsausschuss votierten gerade mal zwei Mitglieder für das Ansinnen. Für das Projekt sah es nicht gut aus. Das Gremium spricht dem Gemeinderat Empfehlungen aus.

Der Gegenwind und die Vorbehalte hätten ihn überrascht, sagt Jörg Henschke. Zumal der Quartiersmanager für die Stadt kostenneutral sei: Das Land fördert mit bis zu 85 000 Euro die Sach- und Personalkosten für neue Quartiersprojekte. Das Programm „Quartiersimpulse“ ist auf zwei Jahre ausgelegt, weitere zwei können beantragt werden.

Zuzug aus der ganzen Welt

Den Eigenanteil von 20 Prozent deckt die Stadt durch die im Budget eingeplanten Kosten für die Ausstattung des Mehrzweckraums im städtischen Gebäude mit Kita, Wohnungen und Demenz-WG ab. „Es wäre das Schlimmste, wenn der teure Mehrzweckraum nicht mit Leben gefüllt wird“, meint Eva Ludwig. Sie sieht eine „große Chance, den Stein ins Rollen zu bringen“.

Das Baugebiet Korntal-West ist das größte in der Geschichte der Stadt. Gut 1000 Menschen leben bald an der westlichen Grenze des Stadtteils. Etwa 750 sind schon eingezogen. „Die Nachbarschaft ist neu und bunt zusammengewürfelt. Es gibt Zuzug aus Korntal-Münchingen, aber auch der ganzen Welt“ sagt Eva Ludwig.

Bluten die Bürgertreffs aus?

Ihr und Henschke geht es vor allem darum, gerade jüngere Menschen, die Generation der 30- bis 50-Jährigen, fürs Ehrenamt zu gewinnen. In vielen Vereinen laste das Engagement eher auf den Schultern der über 60-Jährigen, sagt Jörg Henschke. Findet man – dank des Quartiersmanagements – heraus, wie sich Jüngere aktivieren lassen, profitieren auch andere von dieser Erkenntnis. Dafür brauche es aber einen Impuls, ebenso, um selbsttragende und nachhaltige Strukturen zu entwickeln. Die Gesellschaft, so Henschke, habe sich gewandelt. Heute gebe es andere Beteiligungsformen als früher. Umgerechnet 1600 Stunden Mitarbeit würde der Quartiersmanager mit der 50-Prozent-Stelle investieren.„Wir können Dinge ausprobieren, Erfahrungen sammeln und sie für alle in der Stadt nutzen.“

Nimmt Gestalt an: Das städtische Gebäude mit Kita, Wohnungen und Demenz-WG ist ein zentrales Element. Foto: Simon Granville

Dass die gesamte Stadt etwas vom „Anschugger“ hat, das Quartiersmanagement auf alle Einrichtungen ausgedehnt wird, ist vielen Gemeinderäten wichtig. Schon jetzt sei Kritik zu hören, dass Korntal-West etwa den schönsten Spielplatz habe. Werde das Gebiet nun bevorzugt, indem es einen Quartiersmanager bekommt, könne das noch mehr Unmut auslösen, auch bei den Bürgertreffs – die keine Unterstützung hatten und haben und sogar ausbluten könnten, wie Lore Piette (Grüne) fürchtet.

Die Chefin der Freien Wähler, Marianne Neuffer, äußert sich weiter skeptisch. Die Vernetzung von Familien erfolge erfahrungsgemäß über die Kinder im Kindergarten und in der Schule. „Es muss selbst wachsen. Was aufgestülpt ist, fanden wir noch nie gut.“ Oliver Nauth sieht das ähnlich. Wozu eine Anleitung, um sich zu gruppieren?, fragt der CDU-Chef. Er ist überzeugt: „Wer möchte, dem stehen fürs Ankommen alle Türen offen.“ Korntal-West sei kein sozialer Brennpunkt – ganz im Gegenteil.

Erste Angebote noch in diesem Jahr

Für die nächsten Monate plant Eva Ludwig verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung: Die Bevölkerung soll von den Plänen erfahren, ihre Interessen, Bedarfe nennen und dem Mehrzweckraum einen Namen verpassen. Wenn im Herbst das städtische Gebäude öffnet, soll sich der Quartiersmanager an die Arbeit machen. Noch im selben Jahr soll es im Mehrzweckraum, der künftigen „Plattform für Engagement für alle Generationen“, erste Angebote geben.