Eine echte Sternstunde erlebt das Klösterle mit dem wunderbaren Quatuor Ébène.

Weil der Stadt - Ob die Aufnahme nun tatsächlich Teil der Gesamteinspielung der Beethoven-Streichquartette werden wird, die das Quatuor Ébène 2020 vorlegt, ist am Ende des Konzertes gar nicht mehr wichtig. Das Publikum jubelt im Klösterle und weiß: Es hat einen musikalischen Moment erlebt, wie sie nicht allzu häufig vorkommen. Obwohl die Reihe „Klassik im Klösterle“, zu der das Konzert gehörte, seinem Publikum stets Hochkarätiges bietet.

 

Von Berlin nach Weil der Stadt und dann weiter nach Wien, Japan, Brasilien, Afrika und Paris, das spricht für sich. Und falls die Aufnahme, die das Quatuor Ébène gleich diese Woche in der österreichischen Hauptstadt machen wird, nicht so gut werden sollte, dann wird das Konzert im Klösterle Teil ebenjener Gesamtaufnahme der Beethovenschen Streichquartette werden, die das Quartett unter dem Motto „Beethoven Live Around the World“ aufnimmt. Auf Einladung der New Yorker Carnegie Hall. „Und da sagt man nicht Nein“, wie Cellist Raphael Merlin dem Publikum auf charmante Weise den kleinen Wald aus Mikrofonen und Kameras auf der Bühne erklärte.

Gänsehaut

Diesen vergaß man jedoch schon nach dem ersten Ton des Streichquartetts Nr. 7 F-Dur (op. 59 Nr. 1 „Rasumowski“). Gänsehaut machte die dichte, intensive und zutiefst ehrliche Musik vom ersten Moment an. Jede Faser des musikalischen Wesens, das die vier Musiker durch ihr Spiel schufen, vibrierte, atmete, lebte. Kaum zu glauben, dass die Violinisten Pierre Colombet und Gabrielle Le Magadure, die Bratscherin Marie Chilemme und Cellist Raphael Merlin schon seit fast 20 Jahren zusammen musizieren. So frisch und unverbraucht ist ihr Spiel, als hätten sie sich sieben erst auf ihre gemeinsame musikalische Entdeckungsreise begeben. Es sind nicht nur vier Stimmen, die sich hier auf demokratische Weise unterhalten. Es ist eine dicht gewebte Einheit, wie kostbarer Brokat, der in den feinsten Nuancen leuchtet, ohne dass man die einzelnen Fäden noch wahrnehmen könnte, und an dem man sich nicht sattsehen kann. Wunderschön obendrein: Wer nicht die Augen schließt, um zu genießen, der kann sehen, wie sehr die Musiker sich hingeben und aus tiefstem Herzen in dem aufgehen, was sie tun.

Viel Raum für Melancholie

Es ist ein ganzes Universum, welches das Quartett vor dem gebannt lauschenden Publikum im restlos ausverkauften Klösterle ausbreitet. Manchmal schleichen sich zarteste Schwingungen unmerklich in die Stille, dann wieder brausen volltönende, energische Klanggewitter. Viel Raum ist für Melancholie, die jedoch keine Zehntelsekunde lang auch nur den Hauch von Sentimentalität trägt. Alles ist klar, nachvollziehbar, zu hundert Prozent echt. Auch für Humor ist Platz. Am Ende des letzten Satzes scheint immer wieder der Schlussakkord in greifbarer Nähe, und immer wieder sehen sich die Zuhörer getäuscht, und das kecke Auftaktmotiv kommt noch einmal schelmisch um die Ecke. Da müssen auch die Musiker schmunzeln.

Das Streichquartett Nr. 8 e-Moll (op. 59, Nr. 2 „Rasumowski“) bewegt die Menschen im Klösterle nicht weniger. Hier beweist das Quartett, das Pausen keinesfalls mit Leere zu verwechseln sind. Sie bersten fast vor Leben und bergen eine geradezu magische Spannung. So stark und kraftvoll, wie der erste Satz beginnt, so zart tastet sich der Beginn des zweiten in die Stille. Und dass Virtuosität für diese großartigen Instrumentalisten kein Thema ist, ist spätestens nach dem rasanten vierten Satz zweifelsfrei bewiesen.

Dass sie nicht nur Klassik können, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Wie schön, dass sich die Weil der Städter bei der Zugabe, den „Milestones“ von Miles Davis, mit eigenen Ohren davon überzeugen konnten. Was für ein Abend!