„I want to break free“, „A kind of magic“, „Who wants to live forever“: Diese Liste an Hits von Queen liest sich beeindruckend, und so beeindruckend geriet auch die sehr verspielte, mit vielen Soloeinlagen gespickte Show in Stuttgart.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Ziemlich genau zehn Jahre sind vergangen, seit die britische Rockband Queen den ersten Versuch der Wiederauferstehung unternahm. Im April 2005 gastierte sie zum Auftakt ihrer Deutschlandtournee in der Münchner Olympiahalle. Am Mikrofon stand Paul Rodgers, vormals Sänger bei den Bands Free und Bad Company, bekannt durch den Hit „All right now“. Sonderlich begeistert waren wir nicht. Von einem „grobschlächtigen Mikrofonständerschwenker, der bis aufs Äußerste die abgedroschenen Rockergesten ausreizt und viermal die Oberbekleidung wechselt, obwohl er zum Schwitzen wenig Anlass hat“, schrieb die Stuttgarter Zeitung, „Quacksalber statt Quecksilber“ hieß die Überschrift, denn der quicklebendige Rodgers konnte dem quälend traurig verstorbenen Freddie Mercury nicht das Wasser reichen – auch deshalb beeilten sich die beiden verbliebenen Gründungsmitglieder der Band, Brian May und Roger Taylor, zu versichern, dass er nie als offizieller Ersatz von Mercury gedacht war.

 

Zehn Jahre später folgt nun der zweite Anlauf. Adam Lambert heißt jetzt der nichtoffizielle Ersatz für Mercury, „Queen und Adam Lambert“ offiziell die auch um den Bassisten John Deacon dezimierte Rumpfband. Lambert bringt die beiden Qualifikationen mit, bei der Talentshow „American Idol“ als Mercury-Lookalike den zweiten Platz belegt und sogar schon bei der Billboard-Wahl zum „Music’s sexiest Man“ triumphiert zu haben. Er zieht sich beim Konzert in der ausverkauften Stuttgarter Schleyerhalle am Freitagabend auch nur zweimal um: Zunächst tauscht er das Lederoutfit gegen eine karierte Hose ein, und zur Zugabe präsentiert er sich im Anzug nebst Krone, als Reminiszenz vermutlich an Mercury, der diese Kopfbedeckung vor dreißig Jahren beim legendären Konzert im Wembley-Stadion trug.

Wenig Anlass zum Schwitzen

Wie Rodgers hat aber auch Lambert wenig Anlass zu schwitzen. Verblüffend viel Zeit vergeht bis zu den beiden Krachern „Killer Queen“ und „I want to break free“, dann gönnt man ihm ein Päuschen. Erst sieben Songs später wird er wieder auf der Bühne auftauchen, bei „Under Pressure“, bezeichnenderweise dem Lied, das Queen mit David Bowie eingesungen hat. In diesem Klassiker offenbart sich deutlich die Begrenzung des als „Mehroktavensängers“ apostrophierten Lambert. In den Höhen überschlägt sich seine Stimme häufig, er ist zwar ein guter Sänger, aber das große Volumen fehlt ihm ebenso wie die große Geste.

Womit das Hauptproblem benannt wäre: Würde Freddie Mercury noch leben, könnte er problemlos mit Studiomusikern eine neue Band ins Leben rufen, niemand würde das Schlagzeugspiel Roger Taylors oder die Gitarre Brian Mays vermissen. Und wenn etwa Morrissey wollte, könnte er zweifelsohne mit ein paar Mietmusikern die Smiths wiederbeleben und „The Queen is dead“ singen“. Andererseits aber wären weder Nirvana noch die Doors oder die Beatles auf die Idee gekommen, ihre Bandkarriere nach dem Tod des Vorstehers fortzusetzen. Sie wussten, dass das höchstens mit schwer erträglichen Qualitätsabstrichen funktionieren würde. Nicht so Taylor und May, die aus welchen Gründen auch immer den Mythos Queen am Leben halten wollen. Und das funktioniert, man muss das so hart sagen, in keiner Sekunde: Der Schatten Mercurys bleibt allgegenwärtig – und Adam Lambert, halb so alt wie seine Bandkollegen, ragt stimmlich nicht angehend und durch seine Bühnenpräsenz schon dreimal nicht an Mercury heran.

Der Rest ist schnell erzählt. Es kommen noch die Welterfolge „Who wants to live forever“ (auch hier vermisst man Mercurys Organ), „Another one bites the Dust“, „I want it all“, „Radio Ga Ga“, „Crazy little Thing called love“ und als letztes Stück „Bohemian Rhapsody“, dazu zwei Soloeinlagen, bei denen sich Taylor und May in Szene setzen können. Sodann verschwindet die Band grußlos von der Bühne, um kurz darauf für eine Zugabe zurückzukehren: „We will rock you“ und „We are the Champions“. Drei Minuten später hechtet Brian May in eine dunkelgetönte deutsche Limousine, um sich davonbrausen zu lassen. Alle Hits gespielt, von einer Ausnahme abgesehen. „The Show must go on“, das tönende Vermächtnis Freddie Mercurys, fehlt. Die Band wird wissen, warum.

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