Kutschprozession und diamantbesetzte Krone: Mit einer prunkvollen Zeremonie eröffnet die Queen das Parlament. Sie gibt damit den Auftakt zu einer turbulenten Woche im Brexit-Streit.

London - Mit viel Pomp und jahrhundertealtem Zeremoniell ist am Montag das britische Parlament von Königin Elizabeth II. wiedereröffnet worden. Die Queen wirkte ernst, als sie die Regierungserklärung von Premierminister Boris Johnson vor den Parlamentariern beider Kammern im Oberhaus verlas. Für die 93 Jahre alte Monarchin war es bereits die 65. „Queen’s speech“.

 

Das prunkvolle Zeremoniell konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine höchst ungewöhnliche Regierungserklärung handelte. Johnson hat keine Mehrheit im Parlament. Ohne einen Erfolg bei einer Neuwahl hat er kaum Aussichten, seine Vorhaben umzusetzen. Oppositionspolitiker bezeichneten die Erklärung daher als „Farce“ und warfen Johnson vor, die Queen für seine Wahlwerbung zu missbrauchen.

Hoffnung auf Einigung gering

Dabei scheint schon Johnsons wichtigstes Versprechen kaum noch einlösbar. „Die Priorität meiner Regierung war es immer, einen Austritt aus der Europäischen Union am 31. Oktober zu sichern“, lautete gleich der erste Satz, den die Queen vortrug.

Doch sollte es bei den Last-Minute-Gesprächen in Brüssel in dieser Woche keine Einigung geben, muss Johnson laut Gesetz am Samstag einen Antrag auf Verlängerung der Austrittsfrist beantragen. Die Frage, ob er sich dem beugen will, hat er bislang mit widersprüchlichen Signalen beantwortet. Einerseits sagte Johnson, er wolle „lieber tot im Graben“ liegen als die Verlängerung zu beantragen. Andererseits legte die Regierung kürzlich einem Gericht in Schottland ein Dokument vor, aus dem hervorgeht, dass sich der Premierminister nicht gegen das Gesetz stellen will. Mit einem Showdown zwischen Regierung und Abgeordneten wird bei einer geplanten Sondersitzung des Parlaments am Samstag gerechnet.

Härtere Gangart gegen Gewaltverbrecher

Johnson will laut Regierungserklärung das Land nach dem EU-Austritt zu alter Größe führen. Großbritannien solle ein „Meister des weltweiten Freihandels“ werden und „eine führende Rolle in der internationalen Politik“ spielen. Zudem kündigte er eine härtere Gangart gegen Gewaltverbrecher und straffällige Einwanderer an. Investieren will Johnson in den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS), die Polizei, Schulen, in öffentliche Verkehrsmittel und Infrastruktur. Eine Debatte über die angekündigten Maßnahmen sollte noch am Montagnachmittag starten. Sie dauert gewöhnlich mehrere Tage.

Wie üblich reiste die Queen per Kutsche in einer Prozession vom Buckingham-Palast zum „State Opening of Parliament“. Die vergoldete „Diamond Jubilee State Coach“ wurde von sechs weißen Pferden gezogen. Begleitet wurde sie von Thronfolger Prinz Charles und dessen Ehefrau Herzogin Camilla.

Tradition schon Jahrhunderte unverändert

Die „Queen’s Speech“ geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Die Tradition der Parlamentseröffnung ist sogar noch älter und in ihrer Substanz seit Hunderten von Jahren unverändert. In seiner jetzigen Form existiert die mit viel Pomp umgebene Zeremonie seit 1852, als das Parlamentsgebäude nach einem verheerenden Feuer wieder aufgebaut worden war. Auf das Tragen der mit zahlreichen Juwelen besetzten Krone (Imperial State Crown) verzichtet die Queen inzwischen meist.

Viele aus heutiger Sicht seltsam wirkende Traditionen begleiten die Parlamentseröffnung - zum Beispiel durchsuchen Wachen den Keller. Dies geht auf den als „Gunpowder Plot“ in die Geschichte eingegangenen vereitelten Anschlag britischer Katholiken auf den protestantischen König James I. im Jahr 1605 zurück. Die Verschwörer um Guy Fawkes hatten geplant, den König bei der Zeremonie mit Dutzenden Fässern Schwarzpulver im Keller in die Luft zu jagen.