Ob Regenbogenalm, Fame, Taos oder die legendäre Gaydelight – queere Partys sind auf dem Wasen ein Hit. Erstmals darf der CSD-Verein nicht auf der Bühne reden – zum Missfallen einiger.
In der Stuttgarter Community wird gerade kontrovers diskutiert: Reicht es, einfach nur zu feiern – oder sollten gerade jetzt, in Zeiten eines Rechtsrucks und wachsender Hasskriminalität gegen queere Menschen, auch klare Worte auf der Bühne fallen? Bei der Party Gaydelight, die vor 26 Jahren als Skandal auf dem Volksfest begann und heute eine feste Größe ist, wird es in diesem Jahr erstmals keine Reden des CSD-Vorstands geben.
Für die einen ist das längst überfällig – schließlich gehe es auf dem Wasen ums Feiern, und ohnehin höre kaum jemand zu. Für andere ist es eine verpasste Chance, an diesem Abend ein klares politisches Signal zu setzen. Doch egal, wie man dazu steht: Die queere Seite des Volksfestes ist in diesem Jahr lebendiger und vielfältiger denn je.
Wie der CSD-Vorstand Stuttgart aufs Redeverbot bei Gaydelight auf dem Cannstatter Wasen reagiert
„Nur grölen, saufen und tanzen reicht nicht“, meint die eine Seite. Gerade jetzt, da queere Menschen fürchten, ihre Rechte, für die sie seit Jahrzehnten gekämpft hatten, könnten zurückgenommen werden, brauche es Sichtbarkeit und Haltung. Die andere Seite hält dagegen: Der Wasen sei nicht der richtige Ort, um politische Botschaften zu verbreiten. Da wollten die Gäste einfach feiern und für einige Stunden alles vergessen, was sie sonst ärgert und ängstigt.
Gelassen reagiert der Vorstand des Stuttgarter CSD-Vereins. „Wir freuen uns wie jedes Jahr über die Einladung zu Gaydelight“, sagt Vorstandsmitglied Lars Lindauer. „Wir bedauern die Entscheidung nicht, dass es keine Reden mehr gibt. Das ist für uns völlig okay.“
Halding-Hoppenheit sagt: „Unsere Reden haben nichts geändert“
Auch Clublegende Laura Halding-Hoppenheit darf erstmals seit vielen Jahren bei Gaydelight nicht mehr ans Mikrofon. „Das ist okay“, versichert sie, „wir haben bei allen Wasenpartys kämpferische Reden gehalten – doch es hat sich nichts geändert.“ Man müsse „neue Formen“ finden, um politisch etwas zu erreichen, sagt die Stadträtin der Freien Wähler. Eine Party dürfe auch mal nur Party sein.
Vom Skandal zur Selbstverständlichkeit
Ob mit Reden oder ohne – queere Partys haben sich vom einstigen Aufreger zum Publikumsmagneten entwickelt. Regenbogenflaggen gehören heute zum Volksfest wie Maßkrüge und Ballermann-Musik. Die Community ist vielfältiger geworden, die Partys zahlreicher. Und das Feiern selbst ist längst auch eine Botschaft: Hier ist Platz für alle.
Den Auftakt macht in diesem Jahr die privat und ohne kommerzielle Interessen organisierte Regenbogenalm. Die Empore der Almhütte Royal erstrahlt in den Farben des Pride, zeitweise gibt es vor der langen Theke kaum ein Durchkommen. Über 300 Gäste singen, lachen und tanzen miteinander.
Veranstalter Andreas Müller erklärt: „Wir wollten einen Ort schaffen, an dem man eine tolle Zeit verbringen und viele bekannte Gesichter der Rainbow-Family treffen kann.“ Die Empore verwandelt sich in eine kleine, glitzernde Oase im Trubel des Volksfests – ein Ort, an dem alle willkommen sind.
Vier queere Partys, vier Stimmungen auf dem Cannstatter Volksfest
Dann geht es Schlag auf Schlag: Am 1. Oktober startet gegen 18 Uhr „Taos goes queer“ in der Toas Lodge von Martina Böhringer-Zinser im Dinkelacker-Zelt von Klauss & Klauss. Am 5. Oktober steigt die Partyreihe Fame in der Schatzi-Bar von Sonja Merz. Und am 9. Oktober dreht der Klassiker Gaydelight auf – ein Höhepunkt, der die queere Szene auf dem Wasen jedes Jahr aufs Neue zusammenbringt.
Als Theo Pagliarucci 1998 die erste queere Wasen-Party plante, lief im Radio unentwegt ein Hit der No Angels: „Daylight in Your Eyes“. Aus „Daylight“ machte der Schaustellersohn Gaydelight. Damals ein großer Aufreger, heute eine geschützte Marke und das Aushängeschild der queeren Szene auf dem Wasen. Dass es inzwischen immer mehr Konkurrenz und neue queere Partys gibt, findet Pagliarucci „gut“.
Die Community erfinde sich immer wieder neu, sagt er, und werde dadurch auch beim Volksfest vielfältiger. „Gaydelight ist der Ursprung“, betont Theo Pagliarucci, „und solange die Community es als ihr Fest begreift, wird es das Main Event bleiben.“ Sein Wunsch: Die Marke soll auch noch in 20 oder 30 Jahren bestehen – auch wenn er selbst dann nicht mehr aktiv dabei ist.
Bereits 90 Prozent der Karten sind für Gaydelight auf dem Cannstatter Wasen verkauft
„Mit einem größeren Zelt und einer Auslastung von bereits 90 Prozent setzt Gaydelight in diesem Jahr neue Maßstäbe“, sagt der 60-jährige Veranstalter. Unter dem Motto „Love Loud. Be Proud.“ schafft die Party einen Safe Place für alle. Moderator ist diesmal Manuel Flickinger, bekannt aus den Reality-Shows „Prince Charming“ und „Dschungelcamp“. Restkarten gibt es am 9. Oktober am Eingang des Zelts von 17 Uhr an.
Auch Theo Pagliarucci wird sich diesmal nicht mehr selbst auf die Bühne stellen, wie er sagt. Langsam soll die Zeit des Übergangs mit jüngeren Mitveranstaltern beginnen. Bis zum 30. Geburtstag von Gaydelight in vier Jahren will er noch dabei sein und dann sein „Baby“ in andere Hände geben – auf dass die Partyreihe auch die nächsten Generationen erfreut. Laura Halding-Hoppenheit ist sicher, dass Theo noch lange die queere Wasenparty organisiert: „Er ist doch vom Alter her im Vergleich zu mir ein Baby.“