Querdenken-Demo in Schorndorf Gegen Maskenpflicht und Anti-Corona-Auflagen

„Querdenken 718“ mobilisiert 70 Demonstranten zu einer Demo in der Schorndorfer Altstadt. Unsere Reporterin war dabei und hat sich angehört, was die Redner auf die Straße getrieben hat.
Schorndorf - Gitte, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung genannt haben will, hat die Demonstration auf dem Marktplatz in Schorndorf angemeldet. Gitte gehört zur Gruppe „Querdenken 718“, die zum ersten Mal als Veranstalter einer Kundgebung in der Daimlerstadt auftritt. Eine Mahnwache für das Grundgesetz solle es sein, so steht es auf der Querdenken-Homepage, und so sagt auch Gitte. 200 Anhänger hat sie beim Ordnungsamt der Stadt angekündigt. Rund 70 Demonstranten zählt die Polizei, die mit kleinem Aufgebot vor Ort ist, sich während der gut zweistündigen Versammlung aber im Hintergrund hält.
Auf ihrer Webseite, die kein Impressum hat, fordert die Gruppe unter anderem Neuwahlen im Oktober. „Uns geht es um die Grundrechte, Freiheit und Demokratie“, erklärt Gitte, die sich nicht als „rechts“ bezeichnet, sondern sich bisher eher auf der politisch anderen Seite gesehen habe. „Aber die Bezeichnung rechts beendet jede Auseinandersetzung. Das ist wie der Begriff hysterische Frau. Wer will schon mit einer hysterischen Frau reden?“, ergänzt sie.
Alfdorfer Gastronom lässt seine Mitarbeiter von der Maskenpflicht befreien
Wie alle hier, widersetzt Gitte sich der Maskenpflicht. Stattdessen umarmt sie andere und schüttelt Hände. Die meisten kennen sich. Viele kommen regelmäßig zu den Kundgebungen hier. Wie Gitte und Thomas Hornauer, der Dauer-Bürgermeisterkandidat und Unternehmer aus Plüderhausen. Nicht immer blieb es so friedlich. Im Juni gab es am Rande einer Demonstration gegen die coronabedingten Einschränkungen einen Polizeieinsatz. Zu den 20 bis 30 Teilnehmern hatten sich rund 20 Gegendemonstranten aus dem antifaschistischen Spektrum gesellt, Ordnungshüter mussten die Gruppierungen trennen. Am Freitag gibt es keine Gegen-Demo der Antifa.
Die Teilnehmer bringen handgeschriebene Plakate mit, etwa mit den Worten „Wahrheit“, „Selbstbestimmung“ und „Frieden“ samt gemalter Taube. Zwei Musiker verkünden, sie seien da, um positive Gefühle zu erzeugen. Ein unermüdlich mit der Deutschlandfahne wedelnder, schwarz gekleideter Mann mit Sonnenbrille, der am Rand steht, wirkt fehl am Platz. Er ist auch der einzige, der einer Schorndorferin negativ auffällt, die vorbeigekommen ist, um sich selbst ein Bild zu machen. „Wenn man wie ich Enkel hat, denkt man weiter“, sagt sie.
Als erster Redner tritt der Gastronom Stefan Schmidt auf, der mit seiner Frau in Alfdorf das Restaurant Seehof am Leinecksee und einen Catering-Service betreibt. Er bezeichnet die bundesweite Schließung von Gaststätten als „faktisches Berufsverbot“ und kritisiert den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, der jede Auflage abgenickt habe, ohne zu hinterfragen. „Aber die Gäste kommen nicht, weil sie keinen Bock auf Maske haben“, ruft Schmidt, der seine Angestellten per Attest vom Tragen von Masken befreien ließ, unter dem Beifall der Zuhörer.
Stolz auf die Enkelin ohne Mundschutz
Reinhard Müller aus Wendlingen, der sich als Kabarettist, Sänger, Liedermacher und Feuerkünstler vorstellt, berichtet, er habe seit März keinen Auftritt mehr gehabt und werde das ganze restliche Jahr keine Engagements mehr bekommen. „Ich habe stattdessen 800 Stunden im Internet recherchiert, und jetzt haben wir keine Freunde mehr von früher.“ Müller hat Tochter und Enkelin mitgebracht. Letztere wird bejubelt, da sie als „einzige in ihrer Schule keine Maske trägt“, wie der Opa stolz erzählt. Die Stuttgarter Psychotherapeutin Magdalena Zielinski dagegen beschäftigt sich mit Ängsten der Menschen und referiert über negative Suggestionen, Manipulationen und Maskenpflicht.
Die Versammlungsleiterin Gitte bringt doch noch etwas Schärfe in die Peace-Love-and-Happiness-Parade, als sie erzählt, dass eine Mitstreiterin, eine Lehrerin, wegen ihres Engagements bei Querdenken vors Oberschulamt zitiert worden sei. Auch der Name Merkel und der Begriff Maskenpflicht ruft negative Schwingungen und Buh-Rufe hervor. Abgesehen davon, bleibt die Lage bei der Querdenker-Demo entspannt.
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