Die Polizei hat es in den Landkreisen Böblingen und Ludwigsburg immer öfter mit aggressiven Demonstranten zu tun. Je länger der Lockdown dauert, desto unzufriedener würden die Menschen, lautet die Erklärung des Polizeipräsidiums. Das führt zu Gewalt gegen staatliche Akteure.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Herrenberg - Dass sich Gegner der Corona-Verordnung zu einer ungemeldeten Versammlung treffen, ist an sich nichts ungewöhnliches. Dass sie aggressiv sind und gewalttätig werden, bald auch schon nicht mehr, berichtet die Polizei. In Herrenberg haben am Montag drei Frau im Alter zwischen 47 und 62 Jahren Polizisten angegriffen, als ihre Personalien aufgenommen werden sollten. Sie hatten an einer Versammlung in der Innenstadt teilgenommen, bei der rund 15 Personen Kerzen hielten und selbst gemachte Plakate. Sie standen im Kreis und sangen Lieder – und hielten dabei weder die Abstandsregeln ein noch trugen sie eine Mund-Nasen-Maske. „Solche Demonstrationen finden in verschiedenen Kommunen in beiden Landkreisen häufig statt“, sagt der Polizeisprecher Peter Widenhorn. Sie würden von der Polizei zwar begleitet, aber für gewöhnlich müssten die Beamten nicht eingreifen. In Herrenberg eskalierte die Situation.

 

Gruppe bildet einen Singkreis

Gegen 18.45 Uhr fiel die Demonstration zunächst den Sicherheitskräften bei einem Einkaufszentrum auf. Sie meldeten den Regelverstoß der Polizei. Außerdem schickten sie die Gruppe fort, die Richtung Altstadt zog, wo die Polizei dazu stieß. „Die Personen standen ohne Mund-Nasen-Bedeckung im Kreis, sangen Lieder und hielten selbst gemalte Plakate mit politischen Botschaften“, heißt es in ihrem Bericht. Eine 57-Jährige gab sich als Sprecherin der Gruppe aus. Aufgrund der Plakate und Kerzen werteten die Beamten die Versammlung „als nicht spontan“, weshalb sie eigentlich beim Ordnungsamt angemeldet hätte werden müssen, und zogen sie als Veranstalterin in Betracht.

Die Frau räumte ein, dass die Demonstration nicht angemeldet worden war. Und sie zeigte ein angebliches Attest vor, das sie vom Tragen einer Maske befreien sollte. Dabei versuchte die Frau, den Namen des ausstellenden Arztes vor der Polizei zu verbergen. Als ein Polizist das Attest an sich nehmen wollte, wurde sie aggressiv. Die 57-Jährige trat mehrfach gegen das Schienbein eines Polizisten, als sie zum Streifenwagen gebracht werden sollte. Sie wehrte sich laut dem Bericht vehement, versuchte, sich loszureißen und schrie herum. Weitere Teilnehmer der Kundgebung versuchten, sie zu befreien. Letztlich mussten die Beamten die Frau zu Boden bringen.

Kein Problem, wenn Spielregeln eingehalten werden

Das Geschehen wurde von einer 47-Jährigen mit ihrem Smartphone gefilmt. Als die Polizisten das Gerät zu Beweiszwecken sicherstellten, wehrte sich auch diese Demonstrantin. Eine 62-Jährige verweigerte noch die Herausgabe ihres Ausweises, zwickte eine Beamtin in die Hand und verteilte heißes Kerzenwachs über einen Polizisten. Sie musste zur Identitätsfeststellung mit aufs Revier. Gegen die drei Frauen wurde ein Strafverfahren eingeleitet, gegen sieben weitere Personen Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten.

„Wir lassen die Gruppen gewähren, wenn sie sich an die Spielregeln halten“, erklärt Peter Widenhorn. Die Demonstrationen seien grundsätzlich kein Problem. Oft würden die Teilnehmer allerdings Katz und Maus mit der Polizei spielen wollen – und sich nach einer Intervention von Beamten einfach woanders wieder treffen und weiter demonstrieren. Dass es dabei auch immer öfter zu Gewalt gegen Polizisten kommt, ist laut dem Präsidiumssprecher ein Coronaphänomen: „Je länger der Lockdown dauert, desto unzufriedener werden die Menschen – und das entlädt sich in Aggression gegenüber staatlichen Akteuren.“