Der Gründer der Querdenker-Bewegung sitzt in Stuttgart in Untersuchungshaft, weil gegen ihn wegen Betrugs und Geldwäsche ermittelt wird. Was ist der Haftgrund?

Der Kopf und Erfinder der Querdenker-Bewegung, Michael Ballweg, sitzt seit Mittwochabend in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft begründet den von ihr beantragten Haftbefehl mit Fluchtgefahr. Davon ging man nach einer Hausdurchsuchung am Mittwoch aus.

 

Der Unternehmer habe offenbar Pläne gehegt, sich mit seinem Vermögen ins Ausland absetzen zu wollen, teilen die Polizei und die Staatsanwaltschaft mit. Man habe bei der Durchsuchung Hinweise darauf gefunden. Wegen dieser Fluchtgefahr setzte der Haftrichter den Haftbefehl in Vollzug und Ballweg wurde nach Stammheim gebracht, wie sein Anwalt am Mittwochnachmittag vor dem Amtsgericht bestätigte. Auf weitere Anfragen unserer Zeitung antwortete der Anwalt bislang nicht.

Zwei Wohnungen und Geschäftsräume durchsuchte die Polizei am Mittwoch, weil gegen Ballweg und eine weitere Tatverdächtige der Verdacht der Geldwäsche und des Betrugs besteht. Sie sollen Geld, das sie für die Zwecke der Bewegung eingeworben haben, nicht zweckmäßig verwendet haben, sondern für sich selbst. Laut der Staatsanwaltschaft geht es dabei um mehrere Hunderttausend Euro. Michael Ballweg wurde festgenommen und kam vor den Haftrichter, die zweite Person blieb auf freiem Fuß.

Zu den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft, dass Ballweg das Land verlassen wollte, passt auch das Gerücht, das man sich an Ballwegs Wohnort im Stadtteil Freiberg erzählt: Er habe sein Haus bereits verkauft. Die Ermittlungsbehörden geben keine Auskunft zu diesem Gerücht.

Die Finanzen des Unternehmers und der Bewegung hatten in der Vergangenheit mehrfach eine Rolle gespielt. Mit dem Einwerben von Schenkungen beschäftigte sich das ZDF Magazin Royale des Satirikers Jan Böhmermann ausführlich, der dafür mit der Redaktion netzpolitik.org kooperiert hatte. Sie thematisierten, dass Ballweg bei Veranstaltungen um Schenkungen bat, die im Gegensatz zu Spenden nicht zweckgebunden sind. Auch ging es dabei um die Anmeldung des Namens „Querdenken“ plus Vorwahlnummer, also analog zu „Querdenken 711“ für Stuttgart. Auch damit soll Geld zu verdienen gewesen sein. Besonders belächelt wurde eine Geldquelle, die in diesem Zusammenhang ans Licht kam: Der TV-Unternehmer Thomas Hornauer, der durch seine Bürgermeisterkandidaturen und andere schrille Auftritte von sich reden machte, soll dafür bezahlt haben, mit Ballweg auf der Bühne tanzen zu dürfen. 5000 Euro war ihm das wert, mindestens drei Auftritte gab es.

Neben Kontakten zu Esoterikern wie Hornauer und einer indianisch inspirierten Trommelgruppe machte Ballweg auch immer wieder Schlagzeilen durch fragwürdige Kontakte zu Reichsbürgern, die das rechtmäßige Existieren der Bundesrepublik infrage stellen. Das führte sogar dazu, dass das Land Baden-Württemberg bereits seit Ende 2020 die Querdenker-Bewegung unter die Beobachtung des Verfassungsschutzes stellte. Michael Ballweg bezeichnete sich stets als unpolitisch bei seinem Engagement gegen die Corona-Politik. Zu den Kontakten, die man ihm Vorwarf, zählt auch die herzliche Begrüßung durch Ballwegs Sicherheitsleute für den Holocaustleugner Nikolai Nehrling, der in den Backstage-Bereich bei einer Demo im Schlossgarten geholt wurde. Er berichtete auf seinem Videokanal aus der ersten Reihe.

Zum Thema Geld hatte sich Ballweg im Februar gemeldet. Er rief seine Anhängerinnen und Anhänger zu weiteren Schenkungen auf und begründete das unter anderem damit, dass eine Bank nach der anderen seiner Frau und ihm die Konten kündigte.

Zu den Finanzen und den Ausgaben der Bewegung hatten sich die Querdenker in der Vergangenheit auch zu Wort gemeldet: Mit der Begründung, es seien falsche Tatsachen im Umlauf gewesen, veröffentlichten sie Zahlen für das Jahr 2020. Dabei listete die Bewegung auf, für Demonstrationen im ersten Coronajahr mehr als eine Million Euro ausgegeben zu haben. Einnahmen aus Markenrechten und Werbemitteln wie T-Shirts hätten hingegen gut 800 000 Euro gebracht.

Ein Aufruf zur Solidaritätsdemo am Donnerstagmittag für Ballweg stieß auf nur geringes Echo. Zwar hatte die Polizei schon eine größere Fläche bei der JVA Stammheim reserviert, wo eine potenzielle Schar an Sympathisanten sich ungestört hätte versammeln können – tatsächlich gekommen waren dann doch nur drei Personen (die auf Nachfrage nichts von einem Aufruf gewusst haben wollten): zwei davon im Querdenken-Shirt mit der Aufschrift „Das Ende der Pandemie“. Das galt dann zumindest für die mögliche Demo.