Die Filder sind im Umbruch. Die früheren Bauerndörfer wandeln sich fast schon in kleine Städte. In einer Serie beleuchten wir die Entwicklung einzelner Quartiere. Diesmal: Echterdingen.

Echterdingen - Schwäbische Zurückhaltung klingt anders. „Mir hents, mir sents“, so sollen die Echterdinger einst über sich und ihren Reichtum gesprochen haben. Das hatte sich bis zum Herzog Carl Eugen herumgesprochen. Der fragte einst seinen Hofnarren, ob er schon die Filder bereist habe. Ob er in Echterdingen gewesen sei und die Menschen prachtieren gehört habe.

 

Grund zum Prachtieren – so etwas wie Angeben – hatten vor allem die reichen Bauern. Sie bewirtschafteten „eine bis zu acht Meter mächtige, sehr fruchtbare Lößschicht“, erzählt Wolfgang Haug, der den Ort bestens kennt. Weit reichte der Flecken – bis an die Ortsränder von Stetten, Leinfelden, Möhringen und hinüber zum heutigen Flughafen. „Die reichen Bauern mit ihren großen Silberketten an der Tracht waren in der Umgebung nicht immer gern gesehen“, sagt der ehrenamtliche Leiter des Stadtmuseums schmunzelnd.

Bis heute spielt die Landwirtschaft eine große Rolle, wenngleich, wie in anderen Orten auch, vor allem mit dem Strukturwandel nach dem Zweiten Weltkrieg etliche Betriebe aufgegeben haben und die Äcker wegen der Realteilung geschrumpft sind. Seitdem hat sich die Konzentration auf immer weniger Höfe und dafür Nischen zwischen Öko-Landbau und intensivem Gemüseanbau fortgesetzt. Und der Druck auf Äcker und Wiesen durch den Zuzug von Menschen und den Wunsch nach neuen Gewerbefläche in diesem bestens an das Straßennetz, den Flughafen, ÖPNV angeschlossenen Ort wird immer stärker.

Betriebe siedelten sich vor allem im Norden an

Die reichen Äcker der reichen Bauern hatten einen Nebeneffekt. „In Echterdingen sprang man im Vergleich zu den Nachbarorten erst relativ spät auf den Zug der Industrialisierung auf“, sagt Bernd Klagholz. Grund dafür sei der starke Einfluss der Bauern auch im Gemeinderat, ergänzt der Stadtarchivar. „In Echterdingen waren vor allem Krautfabriken Zeichen des Wandels“, ergänzt er. Geändert hätte sich das erst unter der Ägide von Walter Schweizer, der von 1962 bis 1975 Bürgermeister von Echterdingen und dann bis 1985 von Leinfelder-Echterdingen gewesen war „und der mit der Ansiedelung von Renault den Ort für die Industrie geöffnet hat“.

Dass sich die Betriebe vor allem im Norden Echterdingens niedergelassen haben, ist kein Zufall. Denn auf den dortigen Äckern wurde in den 1930er Jahren die Autobahn gebaut, Echterdingen erhielt einen eigenen Anschluss und die wichtige Nord-Süd-Verbindung – die alte und neue B 27 – leiteten Menschen aus dem Raum Reutlingen und Tübingen durch den Ort. „Damals wie heute spielt eine gute Infrastruktur für die Unternehmen eine immens wichtige Rolle“, sagt Klagholz mit Blick auf die rasche Entwicklung des Ortes, die sich in den vergangenen Jahren vor allem in diesem Areal abspielte.

Der wirtschaftliche Boom hat auch Schattenseiten

Die eigentlich erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung hat jedoch auch ihre Schattenseiten. Eine davon: der immer dichter werdende Autoverkehr, den man nun mit einem Mobilitätskonzept begegnen will. Dass man in Echterdingen bisweilen kaum vorankommt, ist nichts Neues. Wer bis Mitte des 18. Jahrhunderts auf der heutigen Hauptstraße unterwegs war, der blieb auf Höhe der Kanalstraße schon einmal in matschig-feuchten Wiesen hängen. Erst 1753 wurde der Weg durch Echterdingen auf Geheiß des Herzogs befestigt, die Alte Poststraße zur angenehm zu befahrenden Hauptverbindung zwischen Stuttgart und Tübingen. Goethe, der 1797 den Echterdingen durchquerte, sprach von einem „wohlgebaut heiter Dorf“.

Und das soll sich, so Roland Klenk, weiterentwickeln. Wobei der Oberbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen gewissermaßen erst einmal die Vergangenheit stärken will. Das Sanierungsgebiet „historische Mitte“ rund um die Kirche ist für ihn ein wichtiges Projekt für die Lebensqualität. „Ich spüre, dass die Bevölkerung Echterdingens einer weiteren Expansion abwartend gegenübersteht“, weshalb er die liebenswerten Seiten nicht durch ein Zuviel an Entwicklung zerstören will. Solche Plätze mit einer für den Ort prägenden Bebauung sind für ihn ein Grund für die hohe Integrationskraft des Orts. „Viele Zugezogene sehen sich schon bald als Echterdinger.“

Echterdingen ist ein Touristenmagnet

Und dann hat sich noch etwas anderes rasch verändert: Echterdingen ist ein Touristenmagnet. Mit 25 000 Übernachtungsgästen im Monat gehört der Ort nach Worten Klenks mittlerweile zu den Top 20 im Land und belegt nach Stuttgart in der Region den zweiten Platz. Die Geschichte der Gastfreundschaft lässt sich weit zurückverfolgen „Im Westen des Ortes gab es einmal ein sogenanntes Kaffeehaus“, erzählt Haug. Das war vor 300 Jahren etwas Besonderes. Schließlich war das Getränk ungemein teuer. Doch die Prachtierer – und sicherlich der eine oder andere Reisende – konnten sich den belebenden Trunk scheinbar leisten. 1772 wurde dann der Hirsch an der ertüchtigten Poststraße zum Treffpunkt der Vorbeifahrenden und Vorbeilaufenden. Und der frühe Tourismus warf auch etwas für die Bauern ab, die zusätzliche Pferde für die Kutschen zur Verfügung stellten.

Nach dem Bau der Messe sind Hotels wie Pilze aus dem Boden geschossen. Das bringt dem Ort wieder Verkehrsprobleme. Allerdings profitieren auch viele von diesem Effekt. Nicht nur in den Hotels und in der Gastronomie, wo etliche Arbeitsplätze entstanden sind. Auch Handel und Dienstleister bekommen etwas vom Kuchen ab. Nicht zuletzt durch die Lage an der Alten Poststraße war Echterdingen schon früher eine Drehscheibe, das Zentrum auf den Fildern, was Händler anlockte und Geschäfte aufblühen ließ. Das gilt bis heute. „Echterdingen ist eine Einkaufsstadt und für seine Größe extrem stark“, sagt Ralf Schröder. Um die Zukunft ist ihm trotz Internet und Konzentration auf große Märkte – wie im Norden des Ortes – nicht bange. „Wenn man sich engagiert, macht der Einzelhandel durch den Kontakt mit den Menschen Spaß“, sagt der Vorsitzende der Werbegemeinschaft Echterdinger Fachgeschäfte. Das würden Kunden honorieren. Er glaubt, das Echterdingen zulegen wird. Das macht er an der Attraktivität des Standorts fest. „Das Leben in Echterdingen hat an Fahrt aufgenommen“, sagt er mit Blick auf gut gefüllte Straßen. Ein Plus ist für ihn zudem die hohe Aufenthaltsqualität im Ort. Und die hängt sicherlich auch mit den aus alter Zeit stammenden Gebäuden zusammen, die zumindest in der Ortsmitte einer Sanierung entgegensehen.