In den 90er und 2000er Jahren war R. Kelly ein gefeierter Superstar. Der Musik-Gigant schien unantastbar – auch wenn es schon lange Vorwürfe gegen ihn gab. Jetzt muss der 55-Jährige wegen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger für 30 Jahre ins Gefängnis.

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

„I Believe I Can Fly“ sang R. Kelly in den 1990er Jahren. Jetzt ist der Sänger tief gefallen. Der 55-Jährige wird wegen sexuellen Missbrauch Minderjähriger wohl beinahe den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen müssen. 30 Jahre Haft erwarten den Musiker, der in den 90er und 2000er Jahren Welterfolge feierte. Zudem muss R. Kelly eine Geldstrafe von 100.000 US-Dollar (rund 95.000 Euro) zahlen.

 

Die Richterin Ann Donnelly sagte in ihrer Begründung, es gebe „wenige Verbrechen, die schwerwiegender“ seien als die von Kelly. Die Verbrechen des Musikers seien „kalkuliert, sorgfältig geplant und über einen Zeitraum von fast 25 Jahren regelmäßig ausgeübt“ worden. Eine Jury hatte den Musiker bereits im vergangenen Jahr in allen neun Anklagepunkten - darunter sexuelle Ausbeutung Minderjähriger, Kidnapping und Bestechung - für schuldig befunden.

„Er sitzt hier nicht ohne Reue“

Kelly – in einem khakigrünen T-Shirt, mit schwarzem Mundschutz und dunkler Brille –, der die Vorwürfe stets bestritten hatte, nahm das Strafmaß regungslos und mit gesenktem Blick auf. Vor Gericht äußerte er sich nicht - nach Angaben seiner Verteidigerin, weil noch weitere Prozesse ausstehen. „Ja, Euer Ehren, das ist mein Wunsch“, antwortete Kelly auf die Frage, ob er sich wirklich nicht zu Wort melden wolle. „Er sitzt hier nicht ohne Reue“, sagte seine Verteidigerin Jennifer Bonjean.

Seine Anwältin hatte eine deutlich geringere Strafe für ihren Mandanten gefordert. Kelly sei das „Produkt seiner Kindheit“, die von sexuellem Missbrauch, Armut und Gewalt geprägt gewesen sei. Seine Verbrechen seien schwerwiegend gewesen, rechtfertigten aber nicht eine Strafe in diesem Ausmaß. Kelly sei kein „grausames Monster“. Schon zuvor hatte die Verteidigung angekündigt, in Berufung gehen zu wollen, und betonte das nun erneut.

Der Musik-Gigant schien unantastbar

Erste Anschuldigungen gegen den 1967 in Chicago als Robert Sylvester Kelly geborenen Musiker wurden bereits vor rund 25 Jahren bekannt. 2008 stand er wegen des Besitzes von Bildern schweren sexuellen Kindesmissbrauchs vor Gericht - und wurde freigesprochen. Der Musik-Gigant schien unangreifbar auf seinem Pop-Thron. Mit mehr als 50 Millionen verkauften Alben, mehreren Grammys und anderen Auszeichnungen gehörte er zu den erfolgreichsten Musikern des späten 20. Jahrhunderts.

Aber spätestens als 2019 die aufsehenerregende Dokumentation „Surviving R. Kelly“ die Anschuldigungen zusammenfasste, wurde es um den Sänger immer einsamer. Andere Musiker distanzierten sich von ihm, genauso wie Radiosender, Streaming-Dienste und dann auch sein Musiklabel RCA, das zu Sony Music gehört. Im Sommer 2019 wurde Kelly festgenommen, seither sitzt der einstige Star im Gefängnis.

Das Verfahren ist neben den Anklagen gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein und den Komiker Bill Cosby der wahrscheinlich prominenteste Fall in der MeToo-Ära.

Sieben Frauen erzählten vor Gericht teilweise unter Tränen noch einmal ihre Geschichten. Der Musiker habe einen „Gotteskomplex“, habe „Millionen Menschen manipuliert“ und „jämmerliche, unerklärliche“ Taten begangen, sagte eine Frau. „Ich bin nicht hier wegen des Geldes und schon gar nicht für Hollywood“, sagte eine andere. „Ich bin hier, weil ich Gerechtigkeit suche.“

„Robert, du hast so viele Menschen zerstört“

Die Frauen berichteten erneut von dem sexuellen, physischen und mentalen Missbrauch, den sie durch Kelly erfuhren - teilweise, als sie noch minderjährig waren. „Robert, du hast so viele Menschen zerstört“, sagte eine Frau. „Du bist ein Missbrauchstäter, du bist schamlos, du bist ekelhaft und du bist selbstgerecht“, klagte eine andere Frau den Sänger an. Eine weitere sagte, es gehe ihr nicht um Kellys Reue, denn sie könne sehen, dass er keine zeige. Die Frauen berichteten auch, dass sie von Fans des Sängers, die ihnen nicht glaubten, im Internet angegriffen worden seien.

Vor Gericht gab es zudem erneut Diskussionen über die Vermögensverhältnisse des Musikers. Während die Staatsanwaltschaft behauptete, dass Kelly Millionen aus Rechteverkäufen zustünden, wies die Verteidigung des Musikers das zurück und gab an, er sei quasi bankrott. „Seine Musik wird nicht mehr gespielt“, sagte Anwältin Bonjean. „Wir sehen es an seinen Tantiemen, seit dem Prozess sind die extrem zurückgegangen.“

Mit der Strafmaßverkündung in New York sind die juristischen Auseinandersetzungen für Kelly noch nicht vorbei: Auch in den US-Bundesstaaten Illinois und Minnesota liegen Anklagen gegen den Musiker vor. Ein Prozess in Chicago soll schon Mitte August beginnen.