Eine aktuelle Studie hat zusammengestellt, welche Kosten für Energie anfallen. Ergebnis der Untersuchung: Die deutsche Industrie bezahlt pro Jahr 35 Milliarden Euro für den Strom, den sie verbraucht. Neun Milliarden Euro erlässt ihr der Staat.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Nicht nur EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dringen darauf, dass der Strompreis für die Industrie bezahlbar bleiben müsse. Viele Unternehmen klagen über die im EU-Vergleich zweithöchsten Strompreise. Die Sorge, dass es bei steigenden Preisen zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins billigere Ausland kommt, treibt die Politik jedoch nicht erst um, seit der Atomausstieg beschlossen ist. Tatsächlich haben Bundesregierungen aller Couleur den Unternehmen immer wieder Nachlässe bei der Energie verschafft. Das Ziel war stets, vor allem jenen Betrieben unter die Arme zu greifen, die wegen ihrer Produktionsbedingungen besonders viel Strom verbrauchen.

 

Neun Milliarden Nachlass

Über die Zeit hinweg ist da einiges zusammengekommen, wie das Institut für Zukunftsenergiesysteme (IZES) und das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in einer aktuellen Studie zusammengerechnet haben. Den Forschern zufolge hat die Industrie im vergangenen Jahr 35 Milliarden Euro für Strom ausgegeben. Neun Milliarden Euro wurden ihr über unterschiedliche Mechanismen erlassen. Die Studie listet aktuell neun Vergünstigungen auf, die unterschiedlichen Adressaten unter unterschiedlichen Bedingungen gewährt werden. Die Liste reicht von Steuerbefreiungen über die Entlastung von der EEG-Umlage bis zu den Regeln beim Emissionshandel.

Dabei machen die unterschiedlichen Steuernachlässe mit 4,4 Milliarden Euro den Löwenanteil aus. Besonders energieintensive Unternehmen müssen die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms nicht oder nur zu geringen Teilen bezahlen – das entspricht einer Entlastung um zwei Milliarden Euro. Hinzu kommt eine Befreiung von der EEG-Umlage für Unternehmen, die Strom selbst erzeugen oder von gepachteten Kraftwerken beziehen – das summiert sich auf insgesamt 1,7 Milliarden Euro. Vergünstigungen bei der Umlage zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (200 Millionen Euro) bei den Netzentgelten (300 Millionen Euro)und durch die großzügige Zuteilung kostenloser Zertifikate für den Emissionshandel (400 Millionen Euro) machen die kleineren Posten in dieser Rechnung aus.

Kilowattstunde für zehn statt 25 Cent

Die Förderregeln führen zu erheblichen Unterschieden: Nach Angaben der Forscher reduzieren sich strombezogene Steuern, Abgaben und Entgelte bei einem Unternehmen, das alle Vergünstigungen erhält, um 75 Prozent. Auch ein zweiter Vergleich ist interessant. Während Privathaushalte 2011 im Schnitt 25 Cent je Kilowattstunde zahlten, lag der mittlere Preis für Industriekunden bei 10 Cent.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Ausnahmeregeln „sehr komplex, administrativ aufwendig und inkonsistent“ seien. Unter anderem bemängeln sie, dass es keine einheitliche Bemessungsgrundlage für die unterschiedlichen Nachlässe gibt. Für einen günstigeren Satz bei der Stromsteuer reiche es schon, wenn ein Unternehmen zum produzierenden Gewerbe zähle, heißt es in der Untersuchung. Das Ergebnis all dieser Sonderregeln sehen die Autoren der Studie als „massive Energiekostenreduzierung“ für die gesamte Industrie sowie den Bergbau an. Mehr noch: die Regeln seien „sehr großzügig und pauschal“, so dass auch Unternehmen profitieren, „die auch ohne diese Maßnahmen keine Wettbewerbsnachteile zu befürchten hätten“. Vier energieintensive Branchen – Papier, Zement, Aluminium, Elektrostahl – hat die Studie genauer unter die Lupe genommen. Das Fazit: die Papier- und Elektrostahl-Hersteller bräuchten die gewährten Vergünstigungen nicht, um im Wettbewerb zu bestehen.