Mit retroseliger Musik und einem psychedelischen Trip per Lichtpult ist am Samstagabend das Pop-Freaks-Festival zu Ende gegangen. Ein Wort muss aber noch zur Vorband von Ωracles gesagt werden.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Mit dem Konzert von Ωracles und Tristan Rêverb ist am Samstagabend das Pop-Freaks-Festival 2015 im Stuttgarter Kulturzentrum Merlin zu Ende gegangen. 21 Uhr: Noch kurz vor Konzertbeginn sieht es besuchermäßig nach einem Desaster aus. Aber weil die Musik, die an diesem Abend gespielt wird, eher was für späte Stunden ist, trudeln die Leute schon noch ein - rund 80 mögen es am Ende sein, die den retroseligen Psychedelicsounds der Bands aus Schorndorf und Berlin/Köln (tolle Kombi!) zuhören. Angekündigt sind junge Musiker, die Musik spielen, zu denen ihre Großeltern in bunte Klamotten gekleidet LSD geworfen haben könnten, wenn sie zum Beispiel 1966 in San Francisco gelebt hätten. 

 

Wer sich auf der Bühne musikalisch etwa in diese Epoche begibt, sieht sich schnell mit dem Vorwurf konfrontiert, nur vintageselig einen auf Hipster zu machen. Bei Tristan Rêverb kommt noch dazu, dass die Musiker, in sich und ihr Spiel versunken, auf Ansagen ebenso völlig verzichten wie auf etwas, das man Bühnenshow nennen könnte.

Was natürlich noch nichts über die Musik sagt! Die ist bei Tristan Rêverb diesmal ein bisschen mehr auf den Punkt als bei ihrem letzten Merlin-Auftritt beim Klinke-Festival im Sommer. Außerdem klingt nur ein Original-Rhodes wie ein Original-Rhodes, will heißen: ja, das ist schöne, warme, einlullende Musik mit einer Sound-Idee dahinter. Die sich in ihrem konstanten Fließen aber nur selten windet, keine Stromschnellen kennt und keinen Wasserfall. Da geht vielleicht noch mehr.

Ein gutes Zeichen für die Pop-Region

Immerhin: als Support für Ωracles sind Tristan Rêverb genau richtig, Und das ist ja auch eine der schönen Dinge, die sich rückblickend zum Pop-Freaks-Festival 2015 feststellen lassen: dass es zu so vielen interessanten neuen Bands aus dem deutschsprachigen Raum die passende Entsprechung in der hiesigen Musikszene gibt.

Auf den konsequenten Lo-Fi von Tristan Rêverb setzen Ωracles eine ganze Schippe Psychedelic-Rock obendrauf, auch Krautrock und, ja, Disco. Der Schlagzeuger Niklas Wandt ist nicht nur ein technisch hervorragender Drummer, sondern hat auch ein durchdringendes Organ, das so wunderbar verschwitzte Einwürfe wie in "Melt Tonight" ermöglicht. Das live übrigens ein wenig anders rüberkommt als im Video, nämlich als Formel-Eins-Disco-Nummer.


Das Video zur Ωracles-Single spielt in seiner ganzen 16-mm-Optik, mit den Kinofilm- und Werbespot-Einstellungen mit einer Vergangenheit, deren Zukunft man ja bereits kennt. Will sagen: Man hört diesen Songs, die sich bewusst viele Jahrzehnte hinter den Stand von 2015 zurückbegeben, das an, was nach der hier gefeierten Epoche noch kommen sollte, Can, Led Zeppelin, Hendrix zum Beispiel.

Ωracles lassen einem diesen Spaß, sie steigern ihre mit Phaser- und Hall-Effekten getränkten Songs regelmäßig ins fast schon Hard-Rock-hafte - nur um dann mit "Journey Back To Town" den besten Song des Abends folgen zu lassen: synthieselig und so zuckrig wie ein Beach-Boys-Song, aber mit indiepoppiger Rhythmusgruppe - das ist der Bogen, den die Band ins Jahr 2015 spannt, immerhin. Und die Musiker lässt sich von ihrer eigenen Musik mitreißen. Gut so.

Ein Farb-Trip am Ende

Der LSD-Retrofuturismus, dem Ωracles nachhängen, ist ja schon länger ein Thema in der Poplandschaft: die ganzen Chillwave-Bands lieben diese Optik, die hierzulande leider völlig unbekannten Piano Club auch (siehe allein dieses Video). Und, klar, die Durchstarter von 2014: Temples.

Deren Ansätze und noch viele mehr stecken im Stuttgarter Auftritt von Ωracles, an dessen Ende sich der Techniker am Lichtpult zum wahrhaft die Wahrnehmung erweiternden Farbgewitter hinreißen lässt. Der Charme von psychedelischer Musik ist, dass sie so greifbar ist, als Konzept so stimmig. So gut anzuhören, zumal wenn sie so überzeugend vorgetragen wird wie von Ωracles.

Allein, diese Musik hat auch Grenzen, die zu sprengen die schwierigste aller Aufgaben für Psychedelic-Bands ist. Ωracles treten und boxen gegen diese Wände, sie kämpfen dagegen an, und noch bleiben sie in dieser bunten Musik gefangen wie in einer (immerhin wohlig warmen) Gummizelle. Weshalb man auf das für 2015 geplante erste Album umso gespannter sein darf.

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