Es ist immer eine bunte Parade, die seit fünf Jahren an jedem ersten Freitag im Monat durch Stuttgarts Straßen rollt. Die Organisatoren der Rad-Demo Critical Mass wollen damit das Rad als Verkehrsmittel etablieren. Dass das bisher nicht so ist, liege Mitorganisator Alban Manz zufolge auch an der Stadtverwaltung.

Stuttgart - Seit fünf Jahren rollt die Critical Mass an jedem ersten Freitag im Monat durch die Stadt. Die Radfahrer wollen zeigen, dass sie ein wichtiger Teil der städtischen Mobilität sind. Mitorganisator Alban Manz erklärt jedoch, dass aus Sicht der Radfahrer in der Stuttgarter Verkehrspolitik noch vieles im Argen liegt.

 
Herr Manz, die Critical Mass gewinnt immer mehr Unterstützer. Wie viele Menschen fahren derzeit mit?
Die Teilnehmerzahlen steigen bei gutem Wetter von Monat zu Monat weiter an. Im Schnitt fahren jeweils rund 500 Menschen mit. Wir rechnen auch weiterhin mit wachsendem Zulauf. Die bisher größte Critical Mass in Stuttgart fand im September 2014 mit 650 Teilnehmern statt.
Wie beurteilen Sie die grundsätzliche Situation der Radfahrer in der Stadt?
Stuttgart ist bisher überhaupt noch nicht auf Radfahrer als ernst zu nehmende Verkehrsteilnehmer eingestellt. Radfahren gilt als ein komisches Zwischending aus Sport und Freizeitvergnügen. Dass ein Fahrrad wirklich zum Einkaufen oder Pendeln genutzt wird, scheint für Politik und Verwaltung bislang undenkbar.
Dabei ist die problematische Verkehrslage der Stadt ein großes politisches Thema. Hat sich denn gar nichts verbessert?
Verbesserungen treten immer nur punktuell auf. Es werden gerne mal 200 Meter Radstreifen markiert, aber leider endet dieser Weg dann auf Parkplätzen oder auf Abbiegespuren für Autos. Solange die Infrastruktur für Radfahrer nicht durchgängig ist, ergibt sie keinen Sinn. Es ist Flickschusterei in einem autogerechten Straßenraum.
Hat sich denn etwas verändert, seit Stuttgart einen grünen Oberbürgermeister hat?
Nein. Fritz Kuhn spricht sich nicht eindeutig für die Förderung des Radverkehrs aus. Vielmehr bleibt sein Konzept reichlich diffus. Auf der Plenumssitzung des Radforums – einer von der Stadt initiierten Initiative, die den Radverkehr fördern soll – sagte er sinngemäß, dass der Radverkehr sich bitte nicht als einzig mögliche Lösung unserer Verkehrsprobleme sehen soll. Damit mag er sich als gewitzter Realpolitiker geschickt positionieren – echte Unterstützung des urbanen Radfahrens sieht jedoch anders aus. Denn das Radfahren in der Stadt müssen wir nach Jahrzehnte langer Durststrecke ganz gezielt fördern. Da reichen keine Lippenbekenntnisse. Wir bräuchten eher so einen wie den Londoner OB Boris Johnson, der selber fast jeden Weg in der Stadt mit dem Rad zurücklegt und viel dafür tut, die Infrastruktur zu verbessern. Kuhn hingegen ist kein Radfahrer, das spürt man deutlich.