Seit einem Monat erweisen sich die stationären Radaranlagen als Gelddruckmaschinen. Allerdings machen sie der Stadt auch Probleme.  

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Gerhard Gorzellik kann es nicht fassen. "Es ist uns klar gewesen, dass wir am Anfang viele Temposünder auf der Bundesstraße10 mit den stationären Blitzanlagen erwischen würden", sagt der Esslinger Ordnungsamtsleiter. Dass aber noch immer täglich mehr als 500 Fahrer die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometern für Autos und 60 Kilometern für Lastwagen ignorieren und geblitzt werden, kann sich Gorzellik nicht erklären. Immerhin sind die Blitzer an der Pliensaubrücke und im Vorort Weil bereits seit einen Monat scharf geschaltet.

 

"Wir hatten damit gerechnet, dass mittelfristig 0,01 bis 0,05 Prozent der rund 80.000 Autofahrer das Tempolimit missachten. Momentan liegen wir aber noch bei fast einem Prozent." Im Schnitt haben die beiden auf vier Säulen verteilten Kameras im ersten Monat täglich 600 Fotos von zu schnellen Fahrern direkt an das Ordnungsamt übermittelt. Gerechnet habe man, so Gorzellik, mit 16.000 bis 24.000 Verkehrssündern im ersten Jahr. Nun seien es innerhalb eines Monats bereits rund 18.000 gewesen. Zwar seien die meisten Strafzettel noch gar nicht verschickt, aber rein rechnerisch hätten sich die Anschaffungskosten für die stationären Blitzer bereits innerhalb des ersten Monats amortisiert: Vorausgesetzt, alle Sünder bezahlen das Bußgeld, verbucht die Stadt Einnahmen von rund 360.000 Euro; gekostet haben die Geräte rund 240.000 Euro.

Flut von Strafzetteln muss verwaltet werden

Das Blitzlichtgewitter auf der Bundesstraße10 stellt das Ordnungsamt allerdings auch vor ungeahnte Probleme. Denn die Flut von Strafzetteln muss verwaltet werden. Eine zusätzliche Kraft habe die Stadt wegen der neuen Anlagen ohnehin eingestellt, sagt Gorzellik. Diese reiche aber momentan nicht aus. Man versuche deshalb, Teilzeitmitarbeiterinnen dazu zu bewegen, vorübergehend mehr zu arbeiten. Gorzellik erwartet trotz der ungebremsten Tempolust, dass sich in absehbarer Zeit ein gewisser Lerneffekt bei den Autofahrern einstellt und sich die Situation normalisiert. In ersten Kalkulationen ist die Stadt von jährlichen Einnahmen in Höhe von 375.000 Euro ausgegangen.

Der Sprecher der Stadt, Roland Karpentier, zeigt sich zwar auch überrascht von der Häufigkeit der Geschwindigkeitsüberschreitungen. Er betont aber, dass nicht der ohne Zweifel erfreuliche finanzielle Effekt den Ausschlag für die Anschaffung der stationären Blitzer gegeben habe. "Es hat sich gezeigt, dass Tempolimits nur eingehalten werden, wenn sie auch kontrolliert werden", sagt Karpentier. Die im vergangenen Sommer eingeführte Beschränkung von Tempo 80 für Autofahrer sei in mehrfacher Hinsicht überfällig gewesen. Nur so lasse sich die Lärmbelästigung für die Anwohner senken, und nur so könne man die Vorgabe des Luftreinhalteplans erfüllen, den Kohlendioxidausstoß zu verringern.

Auch Roland Karpentier geht davon aus, dass sich die "momentanen Einnahmen nicht verstetigen lassen". Der Pressesprecher: "Wenn sich die Menschen an die vorgeschriebene Geschwindigkeit halten, bekommen wir auch kein Geld."

Stuttgarter Fotostudio

Bad Cannstatt: Das größte Fotostudio der Stadt Stuttgart steht direkt an der Cannstatter Straße. Dort hat die Stadtverwaltung Geräte der gleichen Bauart installiert, wie sie nun an der B10 in Esslingen stehen. Von September bis Dezember 2010 sind 40.000 Autofahrer geblitzt worden. Dort gilt Tempo 50.

Stadtgebiet: Im vergangenen Jahr sind in Stuttgart 160.000 Raser an stationären Anlagen geblitzt worden. Im Schnitt zahlte jeder ertappte Temposünder 30 Euro an die Stadt. Allerdings, so die Erfahrung der Polizei: die Zahl der extremen Temposünder hat abgenommen.