Bei einer Radtour mit dem ADFC durch Leinfelden-Echterdingen wird deutlich, warum sich viele Radfahrer eine schnellere Umsetzung des Radverkehrskonzepts wünschen.

Wer als Radfahrer in der Stadt unterwegs ist, dem wird meist bereits nach wenigen hundert Metern klar, wo der Schuh drückt. Bei einer ADFC-Tour durch Leinfelden, Oberaichen und Echterdingen wiesen Monika Knopf und Markus Zelleröhr vom ADFC darauf hin, wo es gut läuft, wo die Probleme liegen und was sie sich für einen flüssigeren Radverkehr wünschen würden. Dass die beiden sich auskennen, belegt nicht allein ihr Engagement innerhalb des Radfahrervereins. Nach eigenen Angaben legt Monika Knopf jährlich zwischen 8000 und 11 000 Kilometer mit dem Rad zurück, Markus Zelleröhr kommt auf 3000 bis 4000 Kilometer. Für sie das Fahrrad kein Freizeitvergnügen, sondern Fortbewegungsmittel im Alltag.

 

Der Fachhändler stellt das Fortbewegungsmittel

Die Radtour beginnt bei „’s Rädle“ in Leinfelden, denn der Fachhändler stellt das Fortbewegungsmittel. Erster geplanter Zwischenstopp ist der unlängst in die Diskussion geratene Kreisverkehr an der Stuttgarter, Rohrer und Bahnhofstraße. Doch so weit kommen die Teilnehmer zunächst nicht. Neben der Bahnhofstraße gibt es zwar einen Fußweg, auf dem auch das Radfahren erlaubt ist. Doch der Weg ist von mehreren Ein- und Ausfahrten unterbrochen. An diesen Stellen ist Vorsicht geboten, es sollte langsam gefahren werden. Beim Bahnhof selbst muss, hält man sich an die Verkehrsregeln, für einige Meter sogar abgestiegen und das Fahrrad geschoben werden. „Hier werden jeden Tag hunderte Radfahrer in den Fußgängerbereich geschickt“, erklärt Zelleröhr.

Dass viele Radler die wenigen Meter vor dem Bahnhof nicht absteigen, ist kein Geheimnis. Eine Lösung der beschriebenen Situation wäre aus Sicht von Monika Knopf, die Bahnhof- und die Stuttgarter Straße zu Einbahnstraßen zu machen und einen Fahrstreifen für den Radverkehr zu nutzen. Dass es dazu in nächster Zeit kommt, ist aber unwahrscheinlich. Die Stadt Leinfelden-Echterdingen hat zwar bereits im Jahr 2022 ein Fahrradverkehrskonzept beschlossen. Die Umsetzung dauert den Radaktivisten aber viel zu lange. Tatsächlich umgesetzt ist nur ein kleiner Teil des Konzepts.

Nun geht es weiter zum Kreisverkehr. Dort sollte eine sogenannte Musterlösung des Landes für mehr Sicherheit umgesetzt werden. Ein entsprechender Beschluss wurde in der Sitzung im April aber nicht gefasst. Manch ein Stadtrat wollte sich die Situation nochmals genauer vor Ort ansehen. Befürworter der Maßnahmen konnten sich darüber nur wundern. Auch Zelleröhr und Knopf schütteln ihre Köpfe angesichts der Verzögerung für die Umsetzung eines umrundenden Radwegs an dem Kreisverkehr.

Parallel zu den Gleisen an der Haltestelle Frank verläuft derweil ein Fußgänger- und Radweg „der im Sommer täglich von rund 2000 Radlern genutzt wird“, wie Zelleröhr sagt. Diese Zahlen seien mit automatischen Zählgeräten erhoben worden. „Dieser Weg hat Potenzial“, sagt er. Doch auch hier werde ein Problem deutlich: Die Radler sind auch hier dem Autoverkehr untergeordnet. Das bedeutet, dass bei jeder kreuzenden Straße der Autoverkehr Vorfahrt hat. Es muss langsam an diese Bereiche hingefahren werden, geschaut werden und dann kann die Straße überquert werden. Einfach durchfahren, wie bei einer Vorfahrtsstraße, geht eigentlich nirgends.

Es geht weiter am Filder-Einkaufszentrum vorbei. Die Situation an der Kreuzung Hohenheimer und Max-Lang-Straße ist unübersichtlich, man könnte fast schon sagen chaotisch. Dann geht es raus auf die Felder Richtung Echterdingen. Dort läuft es rund, der Weg ist eben und wird offenbar sowohl von Radfahrern als auch von Fußgängern gerne genutzt. Eine Radverkehrsmaßnahme ist der Weg aber nicht. Vielmehr ist er ein Weg, der den Landwirten bei der Bewirtschaftung ihrer Felder helfen soll.

Dann biegt die Gruppe Richtung Friedrich-List-Straße ab. Dort gebe es etwas Besonderes zu sehen, versprechen die Radaktivisten mit einem Augenzwinkern. Abgesehen von der Test-Fahrradstraße ist es die einzige tatsächlich umgesetzte, größere Maßnahme aus dem Radverkehrsprogramm. Der große Wurf ist die Verkehrsführung an dieser Stelle zumindest bisher aber nicht. Denn die Radfahrer werden auf einen östlich der Straße gelegenen Fahrstreifen geführt. Nach etwa 150 Metern geht es aber schon wieder zurück auf die Straße.

Bürgermeister Benjamin Dihm betont, dass dieser Bereich nicht eins-zu-eins so umgesetzt werden konnte, wie es im Radverkehrskonzept geplant war. Eigentlich sollte der Radweg im Norden weiter gehen und in einen landwirtschaftlichen Wirtschaftsweg münden. „Leider ist es uns in diesem Zuge nicht gelungen, die Fläche für das letzte Teilstück des Radwegs zu erwerben, beziehungsweise die Erlaubnis zur Weiterführung auf diesem Flurstück zu erhalten, weshalb der Radweg nördlich des Parkplatzes etwas abrupt endet und Radler wieder auf die Straße geführt werden müssen“, erklärt Dihm. „Wir versuchen weiterhin, eine Lösung für diesen Teilabschnitt zu finden und den Radweg zu vollenden“, sagt er.

Ein Schildbürgerstreich

Zelleröhr und Knopf nehmen es mit Humor. Auch wenn sie das Ergebnis als „Schildbürgerstreich“ beschreiben, der gute Wille ist da. Es geht weiter in die Martin-Luther-Straße, eine etwas ruhigere Parallelstraße zur Hauptstraße, die in der Radfahrerszene als „die Todeszone“ beschrieben wird und einer Holperpiste gleicht. Gutes Sitzfleisch, geübter Gleichgewichtssinn und kräftige Arme seien dort Voraussetzungen für Radfahrer, einen geraden Kurs zu halten. Gegen Ende der Tour wird noch etwas Schönes geboten: der einzige längere echte Radweg in der Stadt. Er verläuft entlang der Schienentrasse vorbei an den Schulen in den Goldäckern.

Zeit ein Fazit zu ziehen. Zelleröhr und Knopf loben das Radverkehrskonzept. Doch wenn die Einzelmaßnahmen zerredet würden, drohe von dem Konzept irgendwann nicht mehr viel übrig zubleiben, befürchten sie. Dass es nicht schneller geht, begründet die Stadt auch mit Personalmangel für die Bauausführung. Nichtsdestotrotz seien vorbehaltlich ausreichender Haushaltsmittel in diesem Jahr noch diverse Markierungsarbeiten für Furten und Schutzstreifen geplant, unter anderem in der Filderstraße, Musberger Straße, Echterdinger Straße, Leinfelder Straße, Esslinger Straße und Stettener Hauptstraße. Des Weiteren sei die Umgestaltung der Kreisverkehre Rohrer/ Stuttgarter Straße und Esslinger/ Plieninger Straße sowie der Knotenpunkte Hohenheimer/ Max-Lang-straße, Max-Lang-Straße/ Fasanenweg und Hohenheimer/ Stuttgarter Straße in Unteraichen in Planung.

Das Radverkehrskonzept

Umstieg aufs Rad
2022 hat der Gemeinderat ein Radverkehrskonzept für Leinfelden-Echterdingen beschlossen. Ziel ist es, dass mehr Menschen das Fahrrad im Alltag als Verkehrsmittel nutzen. Dadurch soll Autoverkehr und der CO2-Ausstoß verringert werden. Für das gesamte Stadtgebiet wurden mehr als 60 Maßnahmenempfehlungen erarbeitet. In der Praxis stößt die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Radverkehrskonzept auf viele Hindernisse – rechtlich, baulich, politisch. Nun kommt die sich verschlechternde Haushaltslage der Stadt hinzu, die mögliche Baumaßnahmen aus dem Radverkehrskonzept verzögern oder gar ganz verhindern könnte.

Fahrradstraße
Auf sogenannten Fahrradstraßen sind Radfahrer die Hauptnutzer, der motorisierte Verkehr wird ihnen untergeordnet. Derzeit werden in einem Teil der Goldäckerstraße Erfahrungen mit einer Fahrradstraße gesammelt. Später könnte die Fahrradstraße dort dauerhaft eingerichtet werden. Auch weitere Straßen in Leinfelden-Echterdingen können zu Fahrradstraßen werden, wenn die Erfahrungen in der Goldäckerstraße positiv sind.