Vor den Schulen an der Wiener Straße gab es eine Aktion der Bürgerinitiative „Radentscheid Stuttgart“. Ein 50 Meter langer roter Teppich sollte die Aufmerksamkeit der Autofahrer auf die Mädchen und Buben lenken, die dort mit dem Drahtesel unterwegs waren.

Feuerbach - Die Aktion der Bürgerinitiative „Radentscheid Stuttgart“ hat noch gar nicht richtig begonnen, schon gibt es mächtig Ärger: „Lassen sie mich gefälligst meine Arbeit machen, ich fahre hier nicht weg“, ruft ein Lkw-Fahrer aggressiv. Dass auf dem Radweg an der Wiener Straße ein roter Teppich ausgerollt worden ist und Kinder mit Fahrrädern und Rollern herumkurven, scheint ihn nicht zu stören. Auch die Ankündigung der Verantwortlichen, die Polizei zu rufen, fruchtet nicht. Der Fahrer lässt die Laderampe herunter und bugsiert seine Lieferung in den Schulkomplex Neues Gymnasium Leibniz. Seinen Laster hat er direkt auf dem roten Teppich geparkt, der eigentlich für Radfahrer reserviert ist.

 

Genau solche Situationen sind es, die die Mitglieder der Bürgerinitiative „Radentscheid Stuttgart“ auf die Palme bringen. „Viele Menschen trauen sich gar nicht mehr, in Stuttgart mit dem Rad zu fahren“, sagt Bärbel Wittich. Eltern hätten Angst um ihre Kinder, wenn diese mit dem Drahtesel unterwegs sind. Mehr und bessere Radwege, das sind zwei der Kernforderungen der Initiative. Dazu zählt auch der Abschnitt an der Wiener Straße, der direkt vor den dortigen Schulen liegt. Der Radweg ist lediglich durch Markierungen von der Fahrbahn abgetrennt. Früher, so erzählt Wittich, habe es noch kleine Plastikpoller gegeben, die aber im Laufe der Zeit Falschparkern, Zulieferfahrzeugen und dem fließenden Verkehr zum Opfer gefallen seien. „Nur baulich geschützte Radwege bringen wirkliche Sicherheit“, sagt Wittich.

„Wir brauchen mehr Radwege“

Nachdem der Lkw-Fahrer schließlich abgeladen und schimpfend das Weite gesucht hat, gibt es endlich Platz für die Kinder. Nach Herzenslust nutzen sie den roten Teppich, obwohl direkt neben ihnen langsam der Feierabendverkehr einsetzt. Natürlich sind die Autofahrer aufmerksamer als sonst, dafür sorgt nicht nur der Teppich, sondern auch Dutzende von Stofftieren, die als Abgrenzung zwischen Radweg und Fahrbahn aufgestellt worden sind. Solch eine Aktion, da sind sich die Kinder einig, sollte es öfters geben. „Wir brauchen mehr Radwege und sie sollten breiter sein“, sagt die elfjährige Stella. Manchmal müsse sie auf dem Gehsteig fahren, da eine Radspur fehle und die Straße voller Autos sei. Ihr Altersgenosse Niklas berichtet, dass er Angst habe, wenn große Lastwagen hinter ihm fahren und hupen. Ähnliche Erfahrungen hat auch Niklas’ Vater Michael Schenker gemacht: Als Radler werde man nicht selten bedroht, genötigt oder eben angehupt. Zudem seien viele Radwege nicht nutzbar, da sie zugeparkt wären.

Ein ganz anderes Problem hat Adrian. „Wenn die Bordsteine zu hoch sind, kann man mit dem Rad umkippen“, erzählt der Achtjährige. Seine Mutter Antje Malz berichtet, dass sie ihren Kindern extra eingetrichtert habe, mit dem Drahtesel auf Nebenstrecken auszuweichen, weil dort weniger Gefahren lauern. Gerade in großen Städten wie Stuttgart hätten Kinder kaum mehr die Chance, zu sicheren Radlern zu werden, da es nur wenige Gelegenheiten gebe, Erfahrungen zu sammeln.

Was den „Radentscheid Stuttgart“ angeht, so befindet sich die Unterschriftenaktion der Bürgerinitiative mittlerweile auf der Zielgraden. Diese Woche werden die Listen eingesammelt, dann stellt sich auch heraus, ob die geforderten 20 000 Namen zusammenkommen. Damit möchte man der Stadt signalisieren, einen Bürgerentscheid herbeizuführen.