Radfahren und Mode Schöner radfahren!

Für Radfahrerinnen und Radfahrer mit Stil: Die Macher des Labels Café du Cycliste fertigen schicke funktionale Radlerkleidung an. Foto: benedict campbell/Café du Cycliste

Neue Fahrräder werden immer schöner, was man von ihren Käufern nicht unbedingt behaupten kann. Viele finden immer noch, dass Radfahren und Mode nicht zusammenpassen. Aber es gibt Hoffnung.

Bauen/Wohnen: Tomo Pavlovic (pav)

Stuttgart - Fahrräder sind so begehrt wie nie. Die Hersteller bekommen die auch durch die Coronapandemie verursachten Lieferschwierigkeiten kaum in den Griff, manche Räder könnten nach Einschätzung von Branchenexperten erst mit monatelanger Verspätung ausgeliefert werden.

 

Schönes Statussymbol

Einerseits. Andererseits wird diese große Nachfrage durch die Mobilitätswende vor allem in den Städten angefacht: Immer mehr jüngere, umweltbewusste Menschen verzichten aufs Auto und steigen aufs emissionsfreie Rad, oft ein Liebhaberstück. Das musste einst funktionstüchtig von A nach B rollen, heute soll das Teil individuell und am besten handgefertigt sein.

Das Fahrrad ist längst nicht mehr bloß ein Alltagsgegenstand, es ist im besten Falle ein perfekt gestaltetes Statussymbol – und manchmal sogar eine Geldanlage mit Speichen, die man sich wie ein Gemälde an die Wohnzimmerwand hängt.

London und Kopenhagen

Sehen die Innenstädte deswegen anders oder gar cooler aus? Die Frage kann mit einem klaren Jein beantwortet werden. Ja, wenn man die schönen Fahrräder betrachtet, gleichgültig, ob es sich nun um elektrifizierte oder konventionelle Modelle handelt. Und Ja, wenn man sich in großen Städten wie Hamburg, München und natürlich Berlin umschaut, wo besonders das radelnde Jungvolk in bestimmten Vierteln auf Schnitt und Haltung achtet und den viel gepriesenen Londoner oder Kopenhagener Radmodestil kopiert.

Trekkingssandale und Farbenmassaker

Nein hingegen, wenn man die trotz dieser urbanen Ausnahmen weiterhin grassierende Unlust vieler Radfahrer zum modischen Auftritt registriert. Meist können die Radlerinnen und Radler mit ihren teuren Designobjekten rein äußerlich betrachtet kaum Schritt, Pardon: Tritt halten.

Entweder tragen die Cyclisten genau das, was sie sonst auch am liebsten am Körper haben: Jogginghose und T-Shirt. Oder, etwas ambitionierter: Unisex-Funktionskleidung passend zu Stiefeln oder Trekkingsandalen. Knisternde Pellen und Farbenmassaker, wohin das weinende Auge blickt, und zwar solche, die eigentlich speziell für Wanderer gefertigt sind.

Verschwitzte Almöhis

Outdoor, der ewige Trend. Eine dreilagige Goretex-Jacke kann bei einer winterlichen Speed-Hiking-Tour im Harz oder beim Zelten im Himalaja durchaus sinnvoll sein, bei der Fahrt zum nächsten Wochenmarkt macht man sich darin nur lächerlich. Der „Ist mir wurscht“-Stil beherrscht – subjektiv gesehen – den Großteil des deutschen Pedalisten-Alltags. Mehr noch: Das Fahrrad dient gern mal als Ausrede für Modemuffel, die im Büro wie verschwitzte Almöhis auftauchen.

Weniger schreiend

Man kann das Thema „Rad und Stil“ in diesem Land auch ein wenig gelassener betrachten und das Positive hervorkehren. „Indem das Radfahren selbst mehr in den Fokus der Gesellschaft rückt, befassen sich auch mehr und mehr Kreative aus anderen Sparten mit dem Rad und seiner Anwendung“, sagt David H. Koßmann vom Pressedienst Fahrrad. „Einerseits gibt es mittlerweile Funktionsbekleidung in weniger ,Sport‘ schreienden Werbedesigns, sondern in zurückgenommenen Farben und Gestaltungen. Andererseits haben einige Sportbekleidungsanbieter ihre ,zivile‘ Kollektion deutlich ausgebaut, oft mit leicht funktionellen Aspekten – wasserabweisende Jeans etwa oder Reflexdruck innen im Hosenbein, der nach dem Umschlagen des Saums sichtbar wird.“

Diverse Subkulturen

Zudem sei das Fahrrad Verkehrs- und Transportmittel, ein Freizeit- und Sportgerät – und ganz oft eine Mischung aus all dem, betont Koßmann. Es sei also viel mehr Normalität als eine Subkultur. Wer aber genau hinschaue, könne innerhalb der Fahrradkultur auch diverse Subkulturen entdecken, die sich ebenso über modische Elemente und Marken wiedererkennen und definieren: Kuriere, BMXler, Rennradfahrer, Punks oder die Mountainbiker.

Hype um Rennräder

Tatsächlich hat die Modeindustrie schon vor Jahren den Radsport entdeckt. „Wahrscheinlich haben auch der Hype um klassische Fahr- und Rennräder sowie Tweed-Rides ihre Spuren in den Farbgebungen und Gestaltungen von Outdoor-Bekleidung hinterlassen“, vermutet auch David H. Koßmann. Das ist einigermaßen plausibel, schließlich sind Rennradenthusiasten bekanntermaßen konsumfreudig.

Café du Cycliste und Rapha

Und seit die Briten Simon Mottram und Luke Scheybeler 2004 die Marke Rapha gegründet haben, hat sich die Anzahl der Firmen und Labels inzwischen beachtlich erhöht, die ähnlich geschmackvolle Rennradkleidung anbieten. Die Trikots, Hosen und Jacken von Rapha sind funktional und gleichsam ästhetisch und passen wunderbar zu den Farben von Lenkerband und Sattel.

Niemand muss mehr zwingend in diesen kreischend bunten, mit Firmenlogos und unterschiedlichen Schriften übersäten Tour-de-France-Leibchen umherdüsen, um zu zeigen, dass er oder sie es im Windschatten draufhat.

Ein weiteres Label nennt sich Café du Cycliste. Die Südfranzosen setzen auf Querstreifen oder kleinteilige Muster, auch auf Karos in den jüngsten Kollektionen. Und dann gäbe es noch die Teile von Pas Normal, einem dänischen Ausstatter. Dessen Kleidung und Helme sind dermaßen schlicht und dezent gestaltet, dass man darin auf einer Vernissage nicht unangenehm auffallen würde – auch ohne Fahrrad.

Knitterfreie Zweiteiler

Und wer als Büroarbeiter tatsächlich mal in London, Amsterdam oder Kopenhagen unterwegs war, wird sicher Männer in Anzügen auf Fahrrädern gesehen haben. Was kein Widerspruch ist: Denn es gibt mittlerweile Manufakturen, die strapazierfähige Zweiteiler für Rad fahrende Anzugträger nähen, aus knitterfreien Stoffen und mit eingearbeitetem Spielraum an Bein und Achsel. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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