Die Frage, ob der Flughafentunnel zwischen Plieningen und Bernhausen künftig nur noch in eine Richtung mit dem Auto befahren werden darf, treibt viele Menschen auf den Fildern um. Während umliegende Kommunen eine zusätzliche Verkehrsbelastung fürchten, sehen Radbündnisse und -verbände vor allem positive Folgen. Der Landesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Matthias Zimmermann, spricht über eine Fahrt durch den Tunnel, die Strecke außen herum – und erklärt, warum er eine beidseitige Tunnelsperrung nicht für nötig hält.
Herr Zimmermann, sind Sie schon mal selbst durch den Flughafentunnel geradelt?
Ja, bin ich. Sowohl auf dem kleinen Weg, also dem, der eigentlich gar keiner ist, als auch auf der Straße. Letzteres war erst kürzlich bei der Radtour mit dem Verkehrsminister. Da bin ich auf dem Streifen gefahren, um den es letztendlich geht.
Als Sie auf dem eigentlichen Radweg unterwegs waren, wie haben Sie sich da gefühlt?
Sehr unsicher, dabei bin ich persönlich eigentlich kein unsicherer Radfahrer. Das Problem ist, dass kein Begegnungsverkehr möglich ist, nicht mal im Zusammenspiel mit Fußgängern. Ich frage mich auch, wie man als Verkehrsbehörde überhaupt auf die Idee kommen konnte, diesen Weg für den Radverkehr freizugeben beziehungsweise als Teil einer Radverkehrsführung zu sehen.
Und wie ist es Ihnen bei der Fahrt auf der Straße ergangen?
Es war sehr entspannt. Die halbe Tunnelbreite ist auch nicht üppig und schmaler als es der restliche Radschnellweg sein wird. Doch dieser eine Fahrstreifen wäre ein so großer Gewinn und die erste ernsthafte Radverkehrsmöglichkeit unter dem Flughafen hindurch.
Kritisiert wird immer wieder, dass der von Ihnen angesprochene Radschnellweg als Argument für eine Tunnelsperrung für den Autoverkehr vorgebracht wird, an den beiden Tunnelenden aber noch keine Radverbindung gebaut wurde.
Man muss irgendwo anfangen. Und der Tunnel ist das Kernelement der Strecke, das fehlt.
Ein emotionales Thema für Sie?
Ich glaube, dass die Emotionen bei denjenigen, die nicht Radfahren, größer sind. Ich kann die Emotionen auf der Seite des Autoverkehrs grundsätzlich verstehen, aber es ja gibt nicht nur diese eine Straße. Als der Tunnel gebaut wurde, da war das anders. Heute sind da die B 27, die Nord-West-Umfahrung, der Weg über Neuhausen oder anders gesagt: sehr viele Fahrstreifen für Autos, die links und rechts und unter dem Flughafen durchgehen. Aber es gibt keine Radverbindung.
Aber auch Radler können außen rum. Der Verkehrsminister hat auf eine Anfrage der FDP verlauten lassen, dass die Ostumfahrung genauer geprüft wird.
Was immer vergessen wird: Wenn man als Radfahrer eine doppelt so lange Strecke außen herumfahren muss, dann ist das Rad für viele keine Option mehr, weil es sich auch gegenüber dem Auto zeitlich nicht mehr lohnt. Für Autos bedeuten ein paar Kilometer mehr viel weniger Zeitverlust. Die Ostumfahrung erfüllt die Funktion eines Radschnellwegs nicht, weil der möglichst in Luftlinie verlaufen sollte. Sie kommt auch deswegen nicht infrage, weil die landwirtschaftlichen Wege häufig verdreckt sind und man weder von den Landwirten selbst noch vom Betriebsdienst erwarten kann, diese zu reinigen. Verschmutzte Wege passen nicht zum Ziel des Landes, Alltagswege zu fördern und Pendler auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule dazu zu bewegen, das Rad zu nutzen.
Die umliegenden Kommunen haben Angst, dass die Verkehrsbelastung höher wird, wenn es zu einer Tunnelsperrung kommt. Sind diese Sorgen unberechtigt?
Natürlich nicht und natürlich werden sich Verkehrsflüsse ändern. Aber die knapp 10 000 Fahrzeuge, die täglich von Süd nach Nord durch den Tunnel fahren, werden sich verteilen – zeitlich und örtlich. Ich glaube auch, dass es ganz viel mit Gewohnheit zu tun hat, dass man durch diesen Tunnel fährt. Außerdem wird immer so getan, als ob ein großer Teil des Verkehrs wirklich von Bernhausen nach Plieningen will. Es ist aber anzunehmen, dass etliche der Verkehrsteilnehmer, die durch den Tunnel fahren, den Flughafentunnel nur nutzen, weil dies gefühlt die schnellste Strecke ist, nicht aber, weil sie exakt diese Stelle auf ihrem Weg brauchen. In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass ein sechsspuriger Ausbau der B 27 geplant ist. Und ganz egal, ob durch den Flughafentunnel dann die prognostizierten 4800 oder weniger Personen radeln – die Nachfrage nach dem Auto wird mit dieser attraktiven Verbindung allemal sinken.
Eine Ampelschaltung, die Rad- und Autofahrern die Durchfahrt ermöglich, war im Gespräch. Was halten sie davon?
Diese Idee ist aus meiner Sicht Augenwischerei. Sie führt nicht zu einer sicheren Situation. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand sein Kind in so eine Ampelschaltung schickt und zwischen Autos durch den Tunnel fahren lässt. Durch die erforderliche Taktung der Signale würde es auch hierbei zu erheblichen Einschränkungen im Autoverkehr kommen. Daher wären am Ende sehr ähnliche Einschränkungen für den Autoverkehr zu erwarten, aber eben ohne nennenswerten Nutzen für den Radverkehr. Es gab es auch alle möglichen Ideen von Ingenieuren, einen doppelstöckigen Weg etwa oder Ausweichbuchten im Tunnel. Ich halte das alles ingenieurmäßig für Unfug.
Würden Sie eine Sperrung in beide Richtungen bevorzugen?
Für den Radverkehr wäre das natürlich die ideale Lösung. Es gäbe Platz, keinerlei Konflikte und auch außer von den verbleibenden Bussen keine Abgase. Wir sind da aber realistisch und offenbar auch die einzigen, die zu einem echten Kompromiss – nämlich einem halben Tunnel – bereit sind. Es geht uns auch nicht darum, dem Autoverkehr irgendetwas wegzunehmen, sondern darum, dass die Radler etwas Sinnvolles bekommen. Das ist mit dieser halbseitigen Lösung gewährleistet.
Ein Verkehrsingenieur als Radfahrlobbyist
Club
Der ADFC bezeichnet sich selbst als die größte Interessenvertretung für Radfahrerinnen und Radfahrer weltweit und hat nach eigenen Angaben mehr als 230 000 Mitglieder. Der Verein setzt sich für die konsequente Förderung des Fahrradverkehrs ein.
Landeschef
Matthias Zimmermann ist seit Ende April 2023 Landesvorsitzender des ADFC in Baden-Württemberg. Der Verkehrsingenieur ist Dozent am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und leitet dort die Abteilung Straßenentwurf und -betrieb. Als Wissenschaftler beschäftigt sich der 53-Jährige vor allem mit Zusammenhängen zwischen Straßenentwurf und Verkehrssicherheit. Sein Fokus liegt auf dem Zusammenspiel verschiedener Verkehrsarten.